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Mut oder Kein Berg ist unbezwingbar

Lange Zeit galt es als unmöglich die Erde zu umrunden weil man glaubte Wasserfälle würden die Scheibe begrenzen und jeder der ihnen zu nahe käme würde hinunterfallen. Bis mutige Menschen es mal probierten (aus welchen Gründen auch immer) und endgültig bewiesen, dass es sehr wohl geht. Lange Zeit hielt man es für unmöglich, dass ein Mensch aus großer Höhe springt und das, selbst mit Fallschirm überlebt, man dachte der Fall alleine wäre schon tödlich. Heute wissen wir, dass man nur den Aufprall fürchten muss, das Fallen an sich ist schon ok. Warum wissen wir das? Na, weil mutige Menschen es probiert haben. Lange Zeit dachte man das Besteigen von Bergen über eine bestimmte Höhe ohne technische Hilfsmittel nicht möglich sei.  Dann hat man es versucht und es ging. Nicht leicht aber es war möglich.

Dennoch ist die Angst das scheinbar Unmögliche zu wagen in allen von uns riesig groß. Die Frage ist wie man damit umgeht. Ein Bergsteiger der keine gehörige Portion Respekt vor der Felswand hat  ist dumm und wahrscheinlich bald tot. Aber der Unterschied ist, dass er seine Angst bezwingt, sie in etwas umwandelt womit er arbeiten kann, eben diesen Respekt vor der Naturgewalt Berg, er weiß, dass jeder Handgriff sitzen muss, dass wenn er die „unmögliche“ Wand bezwingen will, es keine zweiten Chancen gibt. Und dann lässt er sich vollkommen darauf ein, keine Zweifel, kein Blick zurück.

Wenn jemand zum mir sagt, dass etwas unmöglich sei, dann versuche ich immer zu erspüren wie eswohl gemeint ist denn oft steckt dahinter nur ein verschleiertes: „Ich habe es noch nie probiert, kann es mir nicht vorstellen und daher muss es unmöglich sein“. Das ist die Unmöglichkeit aus Tradition heraus und bei uns Menschen äußerst beliebt. Wenn irgendwer mit einem kleinen Fitzelchen Respekt in einem Fachgebiet etwas für unmöglich erklärt bildet sich ganz sicher eine Schule heraus die diese Unmöglichkeit stolz in die Zukunft trägt.  Es gibt noch die Unmöglichkeit die aus schlechten Erfahrungen erwächst, die erlernte Unmöglichkeit. Wenn jeder bisherige Möchtegern-Bezwinger der Bergwand am Fuße derselben am Ende des Tages tot aufgefunden wird, dann kristallisiert sich bald eine Unmöglichkeit heraus, die Wand gilt als unbezwingbar. So lange bis es jemand versucht und damit Erfolg hat. Denn keine Wand ist unbezwingbar, egal wie steil, rau, verwittert, kalt, windig oder hoch. Irgendwann kommt jemand der die richtige Mischung aus Respekt, Mut, Glück und Können mit sich bringt um der Wand den Mythos zu nehmen.

Kein Berg ist unbezwingbar, kein Traum unträumbar, kein Hindernis unüberwindbar, keine Entfernung zu groß und keine Angst unbesiegbar. Wie oft hat man mir gesagt, wie oft habe ich gelesen, dass man heute als Schriftsteller fast keine Chance habe meine Sachen zu veröffentlichen, der Markt ist übersättigt, die Verlage nicht mehr mutig genug … dennoch schreibe ich und ich halte es weder für dumm noch für Zeitverschwendung. Aufgeben ist keine Option. Auch dieser berg kann bezwungen werden. Aber ich muss mich trauen. Jeden Tag die Angst überwinden und mehr Seiten schreiben.  Verloren habe ich erst wenn ich am Abend lieber am TV sitze als mich hinzusetzen und die Worte fließen zu lassen. Manche würden sage es wäre klüger. Ich sage es wäre eine Verbeugung vor der Angst. Niemals.

Wir Menschen, als Spezies, haben es immer wieder geschafft die Unmöglichkeit aus Tradition und die erlernte Unmöglichkeit zu überwinden, gegen alle Wiederstände. Hätte man sich immer an den Rat der Weisen gehalten (denn weise heißt auch die Unmöglichkeiten zu kennen weil man genug davon selber erfahren hat) würde ich nicht hier sitzen und Text in eine der komplexesten Maschinen eintippen die je von Menschen gebaut wurde, sondern wäre wahrscheinlich mit Ugh und Mugh draußen auf der Suche nach einem Blitz der ein kleines Feuer auslöst damit wir es in unsere Höhle zurückbringen können – denn  Feuer aus Steinen zu schlagen ist doch wirklich sowas von unmöglich. Obwohl, realistisch betrachtet – ich war immer ein kränkliches Kind, ich hätte wohl in einer Welt ohne die Fortschritte der Moderne, die von mutigen Menschen getragen wurden, nie das Erwachsenenalter erreicht.

Mut und Wagnis beginnen auf einer persönlichen Ebene. Ämter, Verwaltungsapparate, sie entwickeln nie Mut, das Komitee ist per Definition feige. Tut mir leid das jetzt so direkt zu sagen aber es gibt unzählige Beispiele in denen solche großen Organe versuchten den Mut, der seinen Ursprung in Einzelpersonen hat, zu unterdrücken. Sie wollen den sicheren Weg gehen, den bekannten. Alles andere bringt den Ablauf durcheinander und, sehr schlimm, es gibt keine Formblätter für den Mut einzelner. Es sind die kleinen mutigen Entscheidungen die wir jeden Tag treffen, die Werte und Personen zu denen wir stehen, die uns als Ganzes nach vorne bringen denn eine Reihe solcher Entscheidungen aneinander nennt man dann auf lange Sicht „Leben“ und aus vielen Leben wird Kultur, eine Kultur von der neue Leben dann auch geprägt werden.

Ich denke also man sollte sich nicht nach Gründen umsehen warum diese Felswand nicht besteigbar ist, warum der Fall uns umbringen könnte oder ob diese Entscheidung uns verletzlich macht. Die Frage sollte sein, wie wir es schaffen können das Unmögliche zu tun, über die Grenzen hinauszugehen, wie wir zu dem Ideal werden können, das wir normalerweise nur aus Büchern kennen – und wie gesagt, es müssen gar nicht immer die großen Entscheidungen von globaler Bedeutung sein. Schon sich zu einer Liebe zu bekennen, auch wenn uns das verletzlich macht und vielleicht Angst einjagt,  kann unser Leben unendlich bereichern und uns stark machen, mutig machen. Denn eines ist auch klar – Mut wird durch mehr Mut belohnt. Wer einmal seinen Fuß auf diesen Weg gesetzt hat will nicht mehr auf die vorgefertigte Rolltreppe zurück die unser Leben auch sein kann, man beginnt die Freiheit die der Mut bietet zu schätzen. Mut kann dazu führen verletzt zu werden, man stellt sich schließlich den Gewalten, den Gefühlen den Gezeiten aber wer es wagt hat eine Chance, was auf jeden Fall besser ist als am Fuß des Berges alt zu werden und sich am Ende zu verfluchen weil man es nicht gewagt hat als noch Zeit war.

Es ist eine alte Wahrheit:

Besser das Risiko eingehen, das Schöne festhalten, und es vielleicht irgendwann, möglicherweise wieder verlieren, als es aus Angst nie erlebt zu haben.

Deshalb wünsche ich euch allen, dass ihr den Mut habt zu den Dingen zu stehen die ihr für richtig haltet, auch wenn alle um euch herum sagen es ist falsch. Ich wünsche euch die Neugierde zu erfahren was wohl hinter dem Horizont liegen mag und den Mut heute noch loszumarschieren, den mutiger als heute werdet ihr nicht mehr, nicht ohne das Risiko einzugehen. Und ich wünsche euch den Mut zu eurer Liebe zu stehen, egal wie die aussieht, Mann oder Frau, jung oder alt – unabhängig davon ob es euch oder dem Rest der Welt verrückt und chaotisch erscheint. Die Welt endet nur an einem Ort und der ist dort, wo eure Vorstellungskraft endet – sorgt dafür dass dieser Punkt weit in der Ferne liegt.

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Meine Gedanken sind wirr, vielleicht liegt es daran, dass mein Leben irgendwie wirr ist. Keine Ahnung. Vor zehn Jahren dachte ich, dass ich es noch in den Griff bekommen würde, bis heute wäre alles gut, geregelt und einfach. Nichts da. Alles gleich wirr. Zumindest habe ich den Versuch unternommen etwas klarer zu sehe. Ich war nämlich spazieren. Diejenigen von euch die mich etwas besser kennen werden jetzt vielleicht die Stirn ein wenig runzeln und nochmals den vorherigen Satz lesen. Natürlich, klar, das versteh ich. Also dass soll jetzt nicht heißen, dass ich mich nie bewege, eigentlich sogar so ziemlich das Gegenteil ist der Fall. Nimmt man mal meine Arbeit her so bewege ich mich sogar ziemlich viel, zum Beispiel gehe ich die Strecke von meiner Wohnung zur Arbeit und zurück jeden Tag zu Fuß, die meisten die ich kenne würden bei vergleichbaren Entfernungen den Bus nehmen. Es gibt mir irgendwie ein gutes Gefühl die Strecke auf die altmodische Art und Weise zurück zulegen. Aber spazieren gehe ich normalerweise nicht, ich mag es nicht ohne Ziel einfach loszumarschieren nur um des Marschierens will. Weiß jetzt eigentlich gar nicht genau wieso. Gestern habe ich es trotzdem getan weil ich den Anblick des Monitors, der Tastatur, der Wände um mich herum nicht mehr ertragen konnte. Was als Flucht begann wurde zu einem Marsch in meine eigene Vergangenheit, eine Welt die ich glaubte längt hinter mir zurückgelassen zu haben, verloren an den Ufern der Zeit.

Meine Reise beginnt auf der alten Straße die ich hinterging, vorbei an der seltsamen Villa die ich als Kind immer so faszinierend fand. Sie steht auf einem großen Grundstück, auf einer Wiese mit knorrigen Bäumen die dahinter aufragen als wäre es ihre ureigenste Aufgabe den richtigen Hintergrund für das Herrenhaus zu bilden. Das schwere Metall des altmodischen, verschnörkelten Zains, welcher das Grundstück von dem Gehweg und der Straße trennt, ruht auf einem Fundament aus Beton, nicht einfach in die Erde gestoßen. Die Stangen laufen oben spitz zu, einer jener Zäune auf denen sich ein unachtsames Kind aufspießen kann. Uns hat man damals immer davor gewarnt. Der Zaun ist rostig und war es wahrscheinlich immer schon, außerdem verbogen, verdreht, die Erde selbst scheint sich mit dem Fundament bewegt zu haben. Schon komisch, dabei hat man immer das Gefühl die Erde stünde still. Hinter den Tor führt ein Kiesweg zur Villa, er gabelt sich einige Meter nach der Einfahrt, führt links und rechts an einem großen, tellerförmigen Brunnen vorbei und vereinigt sich wieder vor dem Haus. Solange ich mich erinnern kann hat der Brunnen nicht funktioniert, er war schon immer so wie jetzt, tot, mit Moos bewachsen, still. Floß hier jemals Wasser? Man müsste einen der alten Dorfbewohner fragen. Die Villa selbst hat zwei Flügel, links und rechts des breiten Mittelteils, so wie s Flügel meistens sind. In meiner Kindheit war es eine Geistervilla, teilweise verfallen, bedrohlich mit Dunkelheit die aus toten Fenstern quoll wie Nebel. Der Garten war wild gewesen, keine Wiese wie heute. Ein Haus das im Stande war die Fantasie eines Kindes zu beflügeln und unter uns Jungen hatte es immer wieder Geschichten darüber gegeben. Wie jene über den letzten Besitzer, der nie aus dem Krieg heimgekehrt war und dessen ruheloser Geist seinen leer stehenden Besitz jetzt in der Nacht heimsuchte. Das waren alles wohl nur Märchen und wahrscheinlich bin ich der letzte der sich daran erinnert denn von dem alten Haus ist nicht mehr viel da. Man hat es renoviert, lackiert, herausgeputzt. Die Fensterläden strahlen in der Sonne, die Fassade leichtet hell. Nur der Brunnen ist wie eh und je, eine Erinnerung an einen längst vergangenen Sommer als ich auf Ästen schwang. Langsame Tage. Und meine Reise geht weiter.

So ging mein Spaziergang weiter, an dem Haus vorbei welches zu einer Metapher für meine alte Heimat werden sollte. Wenn ich mich umsehe ist so vieles anders geworden. Manches nur ein bisschen, anderes völlig. Der Wohnblock in dem die erste Freundin meines damals besten Freundes gewohnt hat ist noch da. In der Erinnerung ist es wieder jene Nacht in der wir dort aus dem Fenster sprangen, in Panik weil es an der Türe geklingelt hatte und wir glaubten ihre Eltern wären früher aus dem Urlaub zurück. Kinder eben, dumm aber in den eigenen Köpfen so furchtbar erwachsen. Sie war so alt wie ich, wahrscheinlich wohnt sie nicht mehr dort. Hat sie jetzt eine Familie? Ist sie erwachsen geworden? Ich werde es nie erfahren. Komischerweise macht mich das traurig. Damit hätte ich nicht gerechnet. Das ist die Gefahr wenn man die Straße der Erinnerung hinunterschlendert, die Memory Lane, man kann ganz schnell sentimental werden. Bin ich sonst nie. Glaube ich. Also geht es weiter.

Hier bin ich aufgewachsen, jeder Meter Boden hat Bedeutung, ist vollgesaugt mit Erinnerungen. Wie ich hier mit meinen Freunden fuhr, auf Fährrädern. Wild, stolz und frei. Es wird nie mehr wieder so sein und auch das macht mich traurig. Draußen, an der Hauptstraße, bei den Brücken über die Flüsse hat sich am meisten verändert. Der Ort in meiner Erinnerung existiert nicht mehr. Wenn ich sterbe, ist er dann ganz fort? Ein komischer Gedanke.

Ich gehe den Damm hinunter undbegegne den Radfahrern mit ihren angestrengten Gesichter. Die tiefstehende Sonne scheint mir ins Gesicht, warm, und ich lächle die Fremden an, im Moment ist es mir egal ob sie das erwidern oder nicht, ich tue das weil ich mich danach fühle. Die paare sind hingegen eine ganz andere Geschichte. Hier auf dem Damm sind sie fast so zahlreich wie die Familien auf ihren Sonntagsspaziergängen. Ich bin allein, die paare eine Erinnerung wie es sein könnte. Sie hält seine Hand, lacht. Ein hübsches Mädchen mit langen Haaren und Sommersprossen, eingepackt in eine Winterjacke. Die Sonne mag vielleicht warm sein aber die Luft und der Wind sind es nicht. Lächelnd läuft sie um ihn herum, stellt sich hinter ihn und schlingt ihre Arme um seine Taille, hält ihn fest. Ihr Lachen ist anstecken, er strahlt. Da ist nichts Falsches, nichts Gespieltes. Nur Liebe. Ich komme mir seltsam vor wie ich die beiden so beobachte, senke den Blick wenn sie herschauen. Was denke sie wohl von mir? Aber es ist schön zu wissen, dass es so etwas gibt. Für einen Moment sind wir auf gleicher Höhe, eine flüchtige Sekunde, dann lasse ich die beide hinter mir zurück.

Da ist diese Holzbrücke, überdacht, eine Konstruktion wie sie lange schon nicht mehr in Gebrauch ist. Als Kind hatte ich Angst davor. Schon will ich daran vorbeigehen, sie achtlos links liegen lassen. Doch dann schießt mir ein Gedanke: Was ist, wenn ich nie mehr hier vorbeikomme? Mein letzter Besuch liegt Jahre zurück. Viele Jahre. Werde ich mir dann eines Tages Vorwürfe machen weil ich mir die Chance noch einmal über diese Brücke zu überqueren entgehen habe lassen? Ich entscheide mich es zu tun. Was habe ich schon zu verlieren? Und was Zeit betrifft so gibt es sie im Überfluss. Die Nachricht auf die ich warte kommt ohnehin nicht. Also gehe ich. Vorher lasse ich aber noch die beiden Radfahrer passieren, die Brücke ist eng. Das Holz knarzt als ich meinen Fuß darauf setze, es ist dunkel, fast schwarz und alt. Sie Brücke, war schon alt als ich noch jung war. Es drängt sie mir die Frage auf ob man sie in der Zwischenzeit vielleicht erneuert hat. Ich schaue genauer hin. Alles wirkt alt, auch auf den zweiten Blick. Generationen haben in das schwarze Holz ihre Nachrichten und Botschaften geritzt, Zeitkapseln allesamt. Nicht in, natürlich, so war ich nie. Kein Baum auf der ganzen Welt trägt meine Initialen. Wenn ich nach unten sehe kann ich das graue. Lehmige Wasser zwischen den Planken sehen. Das hat mir als Kind immer große Angst gemacht, diese Erinnerung daran wie knapp unter meinen Füßen die Naturgewalt des Flusses lauert, die stille Geduld es Wassers, immer wartend, dass die zerbrechliche Konstruktion von Menschenhand ihm gibt es ihm zusteht. Komischer Gedanke, schon wieder, aber es ist auch ein komischer Tag. Ich überquere die Brücke zweimal. Natürlich hätte ich auch auf der anderen Seite weitergehen können, auch da gibt es viele Erinnerungen. Dieser Ort ist einfach voll davon. Aber eigentlich will ich zum See, weiter den Damm entlang.

Familien mit Hunden kommen mir entgegen und ich finde es schön sie zu beobachten. Hunde scheinen immer glücklich zu sein, zumindest hier draußen. Die Gegend hat etwas von einem Auwald. Der Boden ist feucht, die Bäume die überall stehen sind mit dichten, herabhängenden Moosbärten verziert, eine alte Welt in der man wunderbar Stöckchen werfen kann. Diese Welt hat einen charakteristischen Duft. Nach altem Holz, Baumpilzen und Wasser. Man riecht den See und ich werde von Kindheitserinnerungen überflutet. Nein, eigentlich sind es nicht wirklich Erinnerungen mit Bildern sondern mehr Gefühle. Der Geruch des Wassers, die Ahnung von Seetang und verrottendem Holz bringt verschüttete Emotionen ans Tageslicht, ich erinnere mich wieder daran wie es sich angefühlt hat als Kind mit meinen Vater hier zu spazieren, wie es war als Teenager mit Freunden am Wasser zu sitzen, die Sonne zu beobachten und Bier zu trinke, als junger Erwachsener mit einer Freundin auf dem großen Stein zu stehen und wichtige Gespräche zu führen. Große Steine gibt es hier allerdings viele.

Ihr müsst wissen, vor 100 Jahren wäre ich an dieser Stelle mitten im Wasser getrieben, nichts auch nur in der Nähe um meine Füße darauf zu stellen. Das alles hier, diese Auenlandschaft ist eigentlich eine riesige Auflandungsfläche, künstlich geschaffen als der Fluss vor so langen Jahren reguliert worden war um die zahlreichen, zyklisch auftretenden Überschwemmungen zu stoppen. Die großen, schweren Steinbrocken begrenzen das aufgeschüttete Land, sie sind das Fundament auf dem diese Welt ruht. Man war wohl sehr stolz auf diese Leistung, die Zähmung des Flusses aber andererseits kann man die Natur nicht zähmen, nicht manipulieren ohne dafür einen Preis zu zahlen. Der Preis war in diesem Fall die zunehmende Verlandung des Sees. Der ursprüngliche Fluss zog weiter Linien, trief seine Wasser mit gemächlicher Geschwindigkeit voran, alt und irgendwie weise. Von solchen Flüssen hat der Mensch das Leben gelernt. Der regulierte Verlauf ist schnurgerade, reißend und kalt. Was das für die heutige zeit bedeutet und was wir davon noch lernen können das will ich jetzt gar nicht wissen. Aber zum Preis. Der reißende Fluss trägt sehr viel mehr Sand, Schlamm und Steine mit sich als der See verkraften kann, er wird langsam aber stetig aufgefüllt. Deshalb sind die Bagger da draußen, auf großen Schiffen. Sie kämpfen Tag und Nacht gegen die Folgen des menschlichen Eingriffes an. Aber im Grunde zögern sie das Unvermeidliche nur hinaus. Die Dämme links und rechts des regulierten Flusses ziehen schon weit in den See hinaus, alles Aushub, ein versucht das transportiere Material in eine Richtung zu lenken. In 200 Jahren wird es den See so vielleicht nicht mehr geben. Irgendwie hat alles Bedeutung auf meinen Weg.

Und ich komme zu dem großen Stein auf dem ich mit jenem Mädchen stand. Er ist noch da, unveränderlich, auch wenn das Wasser zu hoch ist als dass ich auf ihn steigen hätte können. Sie ist nicht mehr da. Wir waren damals gute Freunde, sie und ich und doch hat der Kontakt nicht gehalten. Es lag wohl an mir. Fragt einfach mal diesen Ort. Er hat mich auch lange nicht mehr gesehen. So bin ich, ich lasse Dinge zurück nur dass ich bisher nie zurückgeblickt habe, nicht lange genug um zu bereuen. Ich glaube hier und heute bin ich in diesem Alter: Noch jung genug um nach vorne zu blicken und zu hoffen aber schon alt genug um einiges verloren und vieles bereut zu haben.  Vielleict ist das auch gut so, denn man lernd die Dinge mehr zu schätzen und darum zu kämpfen wenn man Reue und Verlust gekostet hat. Vielleicht macht es mich ja stärker – wer weiß? Im Weggehend denke ich nochmal an sie. Was wohl aus ihr geworden ist? Auch das wird wohl ein Geheimnis bleiben das mir zu lüften nicht gegeben ist. Ich wünsche ihr, dass es ihr gut geht und das Leben auf sie herab lächelt. Ihr haltet das für etwas zu melodramatisch? Ist mir jetzt eigentlich egal. Bin ich halt verdammt in alle Ewigkeit.

Hier kommt der Wendepunkt einer Reise. Ich kann mich entscheiden auf dem Damm zu bleiben. An seinem Ende würde ich weit über den See blicken und den Wind in meinem Haar spüre können oder ich nehme die Abzweigung zurück auf den Weg nach Hause. Ich betrachte mich und stelle überrascht fest, dass ich müde bin. Der Damm wird wohl noch auf mich warten müssen. Also gehe ich die Abzweigung hinunter, sie führt mich zurück unter weit auslandenden Bäumen hindurch, sie bilden eine Art Kuppelgang über mir, eine Kathedrale der Natur, eine Religion die keinen begünstig und die nichts verspricht als die eine simple Wahrheit: Alles muss vergehen und nichts geht verloren. Menschen kommen mir entgegen, ich kenne keinen einzigen davon. Wahrscheinlich sind wir alle hier aufgewachsen und doch sind sie mir fremd. Vielleicht weil ich früh gegangen bin? Nur die ersten vier Jahre meiner Schulzeit habe ich hier im Ort verbracht. Die Freunde von damals sind wohl längst weg, verheiratet, geschieden, was auch immer. Wir würden uns wohl auf der Straße nicht mehr erkennen. Neue Freunde kamen und gingen. Ich war immer woanders, 4 Jahre hier 4 Jahre dort. Aber aufgewachsen bin ich doch hier. Egal wo ich war, egal mit wem, ich hab‘ sie trotzdem immer irgendwie hierher gebracht und ihnen diese, meine Welt gezeigt. Das überrascht und erschreckt mich. Hatte ich nicht geglaubt dem entwachsen zu sein? Den Orten und Menschen hier? Aber es ist alles noch da, die Erinnerungen, die Gefühle, all die Jahre die ich mir eingeredet hatte dies würde alles nicht bedeuten und dann wirft ein einziger Spaziergang das Bild um.

Man kann den Junge aus der Heimat nehmen aber niemals die Heimat aus dem Jungen. Ich mag diese Straßen irgendwie, sogar die Holzbrücke und den Stein. Zu viele erste male sind hier passiert, das kann man nicht ersetzen. Selbst wenn ich in New York die Upper Eastside entlanggehe wird dies nur ein Spaziergang auf irgendeiner Straße sein. Hier, genau hier, unter den knorrigen Bäumen mit dem Geruch von Seetang und verrottendem Holz in meiner Nase sind meine Erinnerungen verwurzelt. Ich vermag nicht zu sagen ob das jetzt ein Sieg oder die ultimative Neiderlage ist … und für wen. Und die tieferliegende Wahrheit ist – gerade weil dieser Ort die Heimat ist, weil so viele Erinnerungen darin konserviert sind, muss ich weg, immer wieder, immer länger. Nur da draußen, wo die Welt neu ist, kann es nach vorne gehen denn das dumme an all den Erinnerungen ist, dass sie wie eine Eisenkugel an dir hängen. Aber das kommt wahrscheinlich auf darauf an was für ein Leben man führen möchte. Ich habe meinen Weg gewählt.

Ich komme zu Hause an, bin müde. Immer noch keine Nachricht. Sie wird auch nicht kommen. Dafür hat das Universum angeklopft und mir eine Nachricht hinterlassen. Das muss doch auch was wert sein, nicht?

Wie immer wenn ich spät des Nächtens durch die Blogs anderer Menschen streife habe ich auch diesmal die eine oder andere Idee für neue Einträge aufgeschnappt. Diesmal war es die Frage, ob denn die Gedanken wirklich frei sind. Das ist verdammt schwer zu beantworten, vor allem weil man nirgendwo die „richtige“ Antwort googeln kann. Oder führt das Universum mittlerweile eine eigene Wiki?

Als Menschen sind wir zu einer gewissen Art zu denken erzogen worden, das beginnt schon bei der Sprache – man kann zeigen, dass Personen, die mit strukturell unterschiedlichen Sprachen (z.B: Japanisch im Vergleich zum Deutschen) aufgewachsen sind anders denken, ihre Umwelt anders sortieren und vielleicht sogar wahrnehmen. Sein schlägt sich in der Sprache nieder und Sprache beeinflusst im Gegenzug das Sein – ein sich ewig drehender Kreis und die Frage was zuerst damit angefangen ist genauso müßig wie unsägliche „Henne oder Ei“ Diskussion.

Einen wesentlichen Einfluss zu Beginn haben sicher die ersten Bezugspersonen, in den meisten Fällen immer noch die eigenen Eltern. Und wer glaubt die Rebellion gegen das Elternhaus sei ein Zeichen von besonders freien Gedanken und höchst ausgeprägtem Idealismus dem sei an dieser Stelle gesagt, dass dieses Auflehnen „gegen etwas“ im Prinzip auch nur ein Zeichen von Beeinflussbarkeit ist („Rebell without a cause“ Syndrom) und keineswegs auf Augenhöhe mit dem sich Auflehnen „für etwas“ operiert.

Aus dem Elternhaus draußen beginnen andere Einflüsse unser Denken zu formen und es in eine bestimmte Richtung zu drängen. Das sind dann Freunde, Lehrer, Professoren, die Medien, alles Mögliche. Natürlich kann man diese Einflüsse ein wenig steuern aber wirklich nur minimal. Ist euch schon mal aufgefallen mit was für Menschen man sich in der Regel umgibt? Natürlich solchen die ähnliche Interessen haben, deren Einstellungen sich mit den eigenen decken, die genetische Vielfalt welche die Natur so liebt scheint im geistigen Bereich oft etwas zu kurz zu kommen. Oder wann habt ihr euch das letzte Mal einfach so mit denen befasst die euch generell etwas komisch vorkommen, mit denen ihr nichts gemeinsam habt und deren Argumente euch wenig überzeugend erscheinen? Keine Sorge, ich fange nicht an zu predigen, bin ja genauso weil auch nur ein Mensch. Aber selbst wenn wir uns darauf einließen … wären unsere Gedanken dann frei? Vielleicht nicht, aber zumindest etwas freiER.

Im Prinzip haben wir das Potential alles zu denken was denkbar ist (und, es sei an dieser Stelle angemerkt, es ist überraschend wie viele nicht denkbar ist bis ein großer Gesit es endlich ersinnt -> wahrscheinlich einer der Hauptgründe warum sich jede Generation für den Höhepunkt dieser doch recht erstaunliche Kette namens Menschwerdung hält), aber tatsächlich werden wir immer im Rahmen unserer Prägung bleiben. Deshalb ist es auch so schwer andere Menschen von der eigenen Sichtweise zu überzeugen. Meine Einstellungen, Ideale, alle in schöne Gedanken gefasst, machen für mich so perfekten Sinn weil sie mit mir herangereift sind, sie haben sozusagen tiefe Bahnen in die Straßen meines Geistes gegraben und ziehen dort munter ihre Runde.  Aber kaum versuche ich diese simplen subjektiven Wahrheiten einem anderen Geist zu vermitteln schon beginnen die Probleme. Meine Argumente werden falsch verstanden, anders interpretiert. Und da werden dann die Filter sichtbar mit denen wir auch die Wirklichkeit erfassen. Wie kann man eine absolute Freiheit der Gedanken postulieren, wenn sie so offensichtlich gefärbt durch die verschiedensten Gläser in die Kammer unserer subjektiven Wirklichkeit fallen – Gläser von denen wir uns die meisten nicht einmal selber ausgesucht oder aufgesetzt haben?

Aber vielleicht ist das mit den freien Gedanken so wie mit dem freien Willen – im Grunde ist es für den Alltag und aus Sicht des Pragmatikers egal ob unser Handel determiniert und frei ist – sicher wüssten wir es ohnehin wenn wir die Zeit zurückdrehen und beobachten könnten ob ich zweimal hintereinander dasselbe tun und denken würde. Wahrscheinlich existiert ein solcher freier Wille nicht, auch in tausend Schleifen würde ich wahrscheinlich immer wieder dasselbe tun.

Macht das einen Unterschied für mich hier und jetzt? Nein, eigentlich nicht, denn es kommt mir, im Jetzt so vor als könnte ich entscheiden ob ich nach links oder rechts gehen, jemand aus der Zukunft wüsste es sicher – aus meiner Sicht Freiheit, aus seiner Sicht alles determiniert.

Zum Abschluss: Wie mit den meisten Dingen im Leben lohnt sich wohl ein pragmatischer Ansatz – wir sollten einfach so tun als wären unsere Gedanken frei, denn wenn sie es sind, dann ist es okay und wenn sie es nicht sind, dann kann alle Philosophie der Welt nichts daran ändern.

Eine Bekanntschaft auf Twitter hat mich auf das Thema Glück, Glückskinder und Schicksal gebracht, nach einer kurzen Diskussion habe ich dann auch eingewilligt darüber nachzudenken was zu schreiben. Ist ja generell gar nicht so einfach dazu einen Eintrag zu schreiben weil es ein furchtbar geladenes Thema ist – wer an das Glück glaubt wird es mit Klauen und Zähnen verteidigen, wer es nicht tut  wird entweder einen wissenschaftlichen Vortrag halten oder einfach nur milde Lächeln und möglichst schnell das Weite suchen.

Was ist Glück eigentlich? Wie sieht jemand die Welt der oder die sich als Glückskind wähnt? Landläufig sprechen wir von Glück wenn jemand etwas Gutes wiederfährt, besonders dann, wenn man dieses Gute nicht auf den ersten Blick erwarten würde. Schreib ich eine positive Note ohne gelernt zu haben dann wird sicher einer meiner Kollegen mit neidischem Unterton anmerken, dass ich verdammtes Glück hatte. Wenn ich über eine Brücke gehe und sie stürzt hinter mir ein, dann werde ich wohl selbst erzählen, dass ich unwahrscheinliches Glück hatte. Im Zusammenhang damit steht auch der etwas sehr religiös angehauchte Begriff des Wunders. Es war ein Wunder, dass er den Unfall überlebt hat. Es ist ein Wunder, dass er trotz allem so ein positiver Mensch geworden ist. Alles in allem hören wir diese Begriffe häufig dann, wenn eben etwas Unwahrscheinliches eingetreten ist – und zwar, wie gesagt, im positiven Sinne. Umgekehrt ist das nie der Fall. Angenommen jemand der nie geraucht oder getrunken hat stirbt mit 25 an einem Bauchspeicheldrüsenkarzinom so wird niemand von einem Wunder oder gar Glück sprechen, obwohl diese spezielle Todesursache in diesem Fall statistisch wesentlich unwahrscheinlicher wäre als, sagen wir mal, einen Frontalzusammenstoß im Auto zu überleben, obwohl in dem Fall sicher irgendwo, irgendwer von einem Wunder sprechen würde. Vielleicht wäre der Begriff Pech angebracht, aber der wird weniger häufig verwendet als der des Glücks oder des Wunders.

Na gut, jetzt wissen wir mal wovon wir sprechen. Wer an das Glück als einen kontinuierlichen Zustand glaubt geht auf jeden Fall einen Schritt weiter, er behauptet, dass „Glück“ eine Sache wäre die einer Person innewohnen kann, so als wäre es eine Persönlichkeitseigenschaft oder gar ein bisher unentdecktes Organ. Ganze Wirtschaftzweige leben von diesem Glauben, von dem Wunsch das Glück an sich zu binden. Ich kann mich noch erinnern wie ich klein war kamen manchmal recht obskure Kataloge, unter anderem einmal einer in dem eine „Wunschmühle“ angepriesen wurde – man legt einen Zettel mit einem Wunsch rein, dreht am Rad und der soll dann in Erfüllung gehen. Geld, Liebe, Macht, Gesundheit – was auch immer, die Mühle macht’s. Als Kind findest du das unglaublich faszinierend. Heute stelle ich mir in diesem Zusammenhang eigentlich nur die Frage warum nicht ich mal auf so eine geniale Idee kommen kann. Es gibt Leute die zahlen für sowas. Glück aus der Büchse. Instant Luck. Ein anderer Weg ist Magie. Egal ob Hohe Magie, Chaosmagie oder Küchenmagie, alle kennen sie Mittel und Wege um sich Glück zu verschaffen. Die Geldzauber sind dabei besonders beliebt. Die Frage ist nur – wenn das wirklich klappt, würde das nicht eine wahnsinnige Inflation auslösen, würde sich ja jeder Geld herbeizaubern. Wo käme das überhaupt her? Wären die Safes der Banken irgendwann leer? Diese Gier wird alle aus demselben Brunnen gespeist – unser Wunsch das Glück an uns zu binden, nicht mehr der Willkür dieser Welt ausgeleifert zu sein. Was glaubt ihr wohl warum sie in ihren Kreisen stehen, die Göttin oder die Wächter der Türme anrufen? Ich war selbst praktizierender Wicca und weiß wie verlockend der Gedanke ist.

Jetzt kommt’s aber. Wenn wir uns die Natur anschauen, nur für einen Augenblick lang, so wie sie ist, dann werden wir feststellen, dass für sowas wie ein „stoffliches“ Glück gar kein Platz bleibt. Auch für Wunder nicht. Die Natur verfolgt im Prinzip nur einen Zweck: Die Erhaltung des Kreislaufs. Selbst die konkreten Mitspieler sind völlig egal, ob das jetzt Dinosaurier, Trilobiten oder Hamster sind macht für die Natur an sich keinen Unterschied, es muss nur irgendwie mit der nächsten Generation weitergehen. Dinge passieren eben weil sie passieren, Reiz – Reaktion, Ursache – Wirkung. Die Natur vergießt keine Träne wegen der überfahrenen Katze (ich schon, aber ich bin auch als Mensch ziemlich weit weg von der Natur), genauso wenig wie sie der Katze zulächelt, die gerade noch den Satz nach vorne geschafft hat. Das ist verdammt nochmal nicht fair. Aber das muss es auch nicht. Die Natur schert sich nicht um ein Konstrukt wie „Fairness“. Es wäre also völlig absurd anzunehmen, dass irgendein Lebewesen, das an einem völlig willkürlich gewählten Punkt in Raum und Zeit existiert, in irgendeiner Weise begünstigt werden würde. Das widerspricht allem was wir über die Biologie, Chemie und Physik wissen. Auch das Schicksal fällt in diese Kategorie. Dinge passieren. Aber nicht weil sie müssen, von einer großgewachsenen griechischen Frau quasi gelenkt.

So sieht es für mich aus. Bin ich deshalb ein trostloser, kaltherziger Mensch der einer Oma ein Messer in den Rücken rammen würde um an ihre Geldbörse zu kommen? Einer jener von der religiösen Rechten so gefürchteten Neo-Darwinisten? Nein, absolut nicht. Ich würde mich eher vor jemandem fürchten der das nur aus dem Grund nicht macht, weil er Angst vor dem Karma/Gott oder was auch immer hat. Schon oft habe ich gesagt, dass ich mich als Humanist bezeichne. Meiner Meinung nach gibt es so etwas wie Glück nicht, die Natur begünstigt niemanden – dafür ist der Mensch selber zuständig. Es gibt bestimmte Dinge gegen die wir nicht viel tun können, Krankheiten zum Beispiel. Aber was das Leben an sich betrifft können wir sehr wohl eingreifen, ein bisschen eigenes Glück schaffen. Glückskinder sind jene Menschen die es schaffen selbst noch aus dem rostigen Nagel im Fuß etwas Positives zu machen, die jeden Morgen aufstehen und den blauen Himmel sehen, selbst wenn es regnet. Die gibt es natürlich in verschiedenen Abstufungen – die ganz extremen Fälle sind nervig ohne Ende aber irgendwo im Mittelbereich befinden sich da ein paar sehr angenehme Zeitgenossen. Da gibt es auch Einschränkungen – wie immer. Die erwähnten Krankheiten sind solche – ich warte seit Jahren vergeblich auf die erste halbwegs vernünftige Studie die nachweist, dass positives Denken den Verlauf einer Krankheit beeinflussen kann (wohlgemerkt – Depression beeinflusst jede Krankheit negativ, aber im umgekehrten Fall ist das noch völlig unbestätigt). Diese Glückskinder haben in der Regel nicht mehr Glück als andere Menschen, sie sehen die Welt aber anders und das ist meiner Meinung schon sehr viel wert. Ich kann im Geld schwimmen und die besten Freunde haben, wenn ich das nicht so sehen, von Gier nach mehr zerfressen bin, dann habe ich kein „Glück“, egal wie mein Leben objektiv aussieht. Ein Glückskind braucht wesentlich weniger um zufrieden und ihm wahrsten Sinne des Wortes „glücklich“ zu sein.

Wichtig ist auch anzumerken, dass nicht jeder glücklich sein kann. Klingt komisch ist aber so. Wer an eine Dysthymie oder gar Depressionen leidet kann kein Glück empfinden, nicht wenn er in einer Episode drin steckt. Dummerweise scheinen Glückskinder nicht in der Lage zu sein das zu verstehen. Ist ja auch klar, wer nicht an einer Krankheit leidet die das ganze Denken vernebelt, die Welt schwarz und schwer werden lässt, weiß nicht wie das ist – glücklicherweise eigentlich, denn der Zustand ist furchtbar. Kann man auch nicht erklären. Wie soll ich jemanden Nierenkoliken erklären, der noch nie welche hatte? Geht einfach nicht.

Sogenannte Glückskinder können ihre Umwelt relativ leicht beeinflussen. Die meisten Menschen wollen im Grunde ihres Herzens glücklich sein, sie wissen nur oft nicht wie. Hat man ein solches Glückskind um sich ist das wie ein frischer Windhauch in einem Zimmer voller abgestandener Luft – man versucht so nahe wie möglich ran zu kommen um das Gefühl zu genießen. Natürlich gibt es auch Neider die nichts lieber tun als die Fenster zu vernageln und dem Glück der anderen im Wege zu stehen aber so global gesehen überwiegen die positiven Reaktionen auf Menschen die sich im Glück wähnen und das auch nach außen tragen durch ein Lächeln und eine positive Einstellung. Wohl gemerkt, die Einstellung an sich verändert gar nichts (nicht im Sinne einer magischen Verbiegung der Realität), sie sorgt nur dafür, dass man von Menschen anders wahrgenommen wird, in ihnen etwas weckt was sie auch möchten und was sie im Grunde lieben.

Gibt es verschiedene Arten von Glückskindern? Ja, natürlich.

Manche werden schon so geboren, ich nenn sie mal „native“ Glückskinder. Sie landen aus irgendwelchen Gründe in einem liebevollen zu Hause und wachsen damit quasi auf. Sie sind die naivsten von allen Glückskindern weil sie in der Regel gar nicht wissen wie es sich anfühlt wenn das Glück mal Urlaub macht. Früher oder später wird es aber mal passieren. Dann werden sie entweder zu realistischen Glückskindern oder Zynikern. Ein Zyniker ist meistens einer der das Glück kannte und den es dann verließ – wer beide Seiten gesehen hat bringt die schärfsten Kommentare. Mit Zynikern ein ernsthaftes Gespräch über Glück zu führen ist ganz schwer weil sie innerlich oft zerrissen sind, einerseits wollen sie an das Gute glauben, andererseits können sie es aber nicht. Immerhin sind sie meist Produzenten ziemlich guter Zitate.

Die zweite Gruppe sind die „verleugnungs“-Glückskinder.  Meistens solche die bewusst entschieden haben die Augen vor der Realität zu verschließen. Also die finde ich persönlich am Schlimmste weil sie der Meinung sind, dass im Prinzip alles „gut“ ist und wer das nicht sehen kann mit dem stimmt was nicht. Sie rennen meistens predigend durch die Gegend und wollen dir klar machen, dass du mit dem jammern aufhören musst, dann wird es wieder.  Einer von denen hat mir mal erzählt, dass man nur genug daran glauben müsste, dann würde jeder vom Krebs geheilt werden. Irgendwie widerlich diese – weil sie vielfach bei anderen Menschen mehr Schaden anrichten als sie Gutes tun. Mit denen kann man auch nicht vernünftig reden weil sie kein anderes Argument gelten lassen. Da könnte ich blutend am Boden liegen und die würden mir immer noch erzählen wie schön das Leben doch ist und dass ich mal nicht so sein soll.

Die letzte Gruppe sind die gewachsenen Glückskinder. Die kommen meistens aus normalen Verhältnissen und hatte das übliche Verhältnis Glück vs. Pech, so im Bereich 50:50 wie die meisten von uns. Irgendwann haben sie angefangen was Positives auszustrahlen, sich über die kleinen Dinge zu freuen und die Summe vieler kleiner Dinge sind nun mal … ja genau, große Dinge. Die wissen meistens, dass das Leben nicht immer nur Limonade und gute Musik ist sondern, dass einem der Wind manchmal ziemlich ins Gesicht wehen kann, dennoch schaffen sie es, auf subtile Weise, dich aufzubauen, immer die richtigen Worte zu finden. Sie sind sozusagen die Schleppschiffe die den gestrandeten Kahn wieder auf See bringen. Man fühlt sie bei diesen Menschen verstanden und aufgehoben. Das sind die wahren Glückskinder die es schaffen die Welt um sie herum zum Leuchten zu bringen. Und gute Gesprächspartner sind sie obendrein.

Schwarze Steine

Der Blick aus dem Fenster enthüllt eine Wüste aus Beton. Selbst die elegant geschwungenen Bögen und Säulen können nicht verdecken was da unten geschehen ist, es ist so eindeutig wie ein Kreideumriss auf Parkett. Selbst unter der zarten Schneedecke wird der Platz wie ein Mausoleum für die Natur, ein Ort an dem die Welt zu atmen aufgehört hat. Am Schlimmsten sind die Hörner aus Stein die aus dem Boden sprießen wie die Mordwaffe aus einem leblosen Körper, als hätten wir etwas heraufbeschworen um sicher zu gehen, dass dort nichts mehr lebt, nie wieder leben wird.

Ich frage mich wo die Bäume und Büsche sind. Jetzt wären sie wohl kahl aber immer noch frischer und natürlich als das dort unten. Parkbänke ohne Park. Wege ohne Gras und Erde. Glasgänge um die Seele zu leiten auf das Tor hinauf. Das Tor zur Unterwelt? Ich weiß es nicht aber es fühlt sich so an.

Und dann immer wieder diese Hörner aus Stein, schwarz, glatt und kalt wie Eis. Die Lampen um die Steine sind dunkel, ob sie sich wohl schämen diese Grausamkeit zu beleuchten? Eine Bohrung in jedem Stein, groß, gähnende Löcher. Hätte der Teufel Piercings würden sie wahrscheinlich so aussehen.

Wobei, der Teufel, der Lichtbringer, es würde weinen bei diesem Anblick. Hat er doch nichts gegen die Schöpfung, nur den Menschen, dieses über alles geliebte Geschöpf. War es Neid der ihn rebellieren ließ, wie man sagt? Oder wusste er etwas wovon niemand etwas ahnte. Hat er diese Plätze vorausgesehen? Das wäre zumindest ein Grund. Ein guter wie ich meine. Ich und niemand sonst. Warum nur ich? Mein Kopf, da ist die Stimme die mir Persönlichkeit verleiht. Nur meine Stimme alleine.

Vor meinen Augen verwandelt sich der Schnee in schwarze Asche die sich auf die Welt niedersenkt um sie unter sich zu begraben. Sie klopft gegen das Dach, hämmert gegen die Fenster und legt sich schwer auf die Mauervorsprünge. Wird sie bis morgen alle Fenster begraben haben? Wird da noch eine Welt sein?

Ich sehe weiter durch das Fenster, zum Hotel, zum Casino, zu dem Bahnhof am anderen Ende der Straße. In der Asche die Fußabdrücke von Menschen. Haben sie es noch rechtzeitig nach Hause geschafft oder liegen sie irgendwo unter einer Verwehung. Ich weiß es nicht. Die schweren Wolken verheißen nichts Gutes, der Ausbruch muss gewaltig gewesen sein. Oder doch nur Schnee? Gefangen in meinen eigenen Metaphern lausche ich dem rhythmischen Schmerz in meinem linken Arm.

Vielleicht gab es ja doch einen Ausbruch. Der Vulkan meiner Angst spuckt Feuer. Flugverbot für die Seele und alles was ich sehe sind diese verdammten Steine die aussehen wie Hörner, gestoßen durch einen Leichnam. Verdammt in alle Ewigkeit. Nein, weder das Buch noch der Film.

Es ist diese zeitlose Glocke die sich schwer und dumpf über dieses kleine Stückchen Welt stülpt. All die schönen Formeln verlieren ihre Bedeutung und aus Weg wird nur mehr Bewegung, ohne Zeit, wo man am Ende ankommt ist ohnehin bedeutungslos. Weißes Rauschen. Ameisenkrieg auf einem blinden Schirm, verkauft an die verzweifelten Massen in den Schluchten und Rissen dieser Welt. Mit diesen Formeln muss der Architekt die Steine gebaut haben.

Die Seele ist wie ein Bunker, Emotionen die Einschläge weit oben irgendwo, dumpf und unwirklich, nur das flackern der Lampe und der Staubregen zeugen von dem Gefecht. Fang doch einfach an zu lachen, weinen bringt ja ohne hin nichts. Das Licht und die Geräusche werden zu Eindringlingen, so fremd. Aufstehen weil es sein muss. Das Liegen bereitet noch mehr Schmerzen. Ob die Hörner wohl in meinem Fleisch stecken?

TweetSports oder Twort

Das hier sollte Humor sein, lustig ist es leider trotzdem nicht. Aber da bestimmte Personen mal wieder was „lustiges“ von mir wollten … tja, das kam dabei raus. Gebt mich bitte nicht auf!!!

Setting: Ein großes Bierzelt auf einer Wiese draußen vor Stuttgart. Vorne steht ein Redner der direkt aus der Harvard Business School kommen hätte können – die Haare totgegeelt, Anzug, Krawatte und ein herrlich frisch glänzendes jugendliches Gesicht, wahrscheinlich täglich mit Feuchtigkeitscreme behandelt. Das Publikum besteht aus Männern und Frauen Mitte bis Ende Vierzig, alle leicht gelangweilt mit Bier bzw. Aperol vor sich.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Festgemeinde, heute möchte ich, im Namen der SillySports AG, den neuen, hippen Trend unter Menschen zwischen 8 und 24 vorstellen. Ein großer Applaus bitte für den CEO von SillySports, Dr. rer. spo. Eugen Rösler-Richter zu Sattberg. *Verhaltener Apllaus im Publikum, die Stimme des Sprecher klingt ein wenig nach Schnappatmung aber wer sich mit All-Inclusive-Urlauben auskennt wird sofort wissen, dass dies die übliche Sprechweise für Animateure ist*

Was ist dieser neue, von uns eingeführte Trend den die Jugend so zu lieben scheint? Nun, ich meine natürlich „TweetSports“, die zeitgeistliche Verschmelzung der messerscharfen Kommunikation in Twitter mit dem schweißtreibenden Spektakel althergebrachter Sportarten. Wie letzte Umfragen klar zeigen nehmen Aktivitäten wie Jogging, Nordic-Walking, Schwimmen und viele andere mehr mit alarmierender Geschwindigkeit ab und es wird vermutet, dass Twitter einen großen Teil mit Schuld an dieser Entwicklung trägt. *Vielsagendes Nicken im Publikum obwohl wahrscheinlich keiner der Anwesenden je von Twitter gehört hat. Der peinliche Versuch der Wirtschaft sich an einen Trend ran zu hängen wie eine Zecke liegt wie die üblen Schwaden von Buttersäure, durch die Zecken ironischerweise angezogen werden, in der Luft*

Die jungen Menschen wollen ihre Zimmer einfach nicht mehr verlassen weil sie befürchten in Twitter wichtige Mentions, DMs oder Favs zu verpassen. Sport und Twitter sind bisher schwer zu vereinbaren gewesen und wir kennen ja die Jugend – Twitter gewinnt in diesem Konflikt sicher die Oberhand.

*Der Sprecher gewinnt im Publikum exponentiell an Achtung da er schon wieder Begriffe verwendet die der Generation die hauptsächlich anwesend ist überhaupt nichts sagen, außerdem ist man einhellig der Meinung, dass sich die Jugend zu wenig bewegt. Einer der eher wohlbeleibten Männer kommt schon beim Gedanken an die verweichlichte Jugend ins Schwitzen und öffnet den obersten Knopf der Hose um Platz für die nächste Currywurst zu machen*

Aber mal ehrlich, haben sie schon mal versucht beim Joggen auf dem Handy einen Tweet zu lesen oder gar zu verfassen?

*Gemurmel im Publikum, verunsicherte Blicke. Meint der da was sexuelles oder so? Der Sprecher hüstelt und tut so als hätte man ihm zugestimmt*

Eben, ganz ganz furchtbar. Was ist wenn gerade jetzt jemand etwas unglaublich, wahnsinnig Witziges sagt? Dann muss ich später meine ganze Timeline absuchen nur um das zu erfahren. TweetSports ist die Antwort, die Lösung, ja ich möchte fast sagen die ERlösung!

*An diesem Punkt könnte man eine Stecknadel auf den mit Stroh ausgelegten Bierzeltboden fallen hören*

Sie werden sich jetzt sicher fragen: Wie funktioniert TweetSports und lässt sich auch meine Sportart mit dem lockeren Vergnügen von Twitter kombinieren? Die Antwort lautet: Es funktioniert ganz einfach und ja, die meisten Sportarten lasse sich problemlos mit Twitter verschmelzen.

Die TOP 5 SweetSports oder Tworts:

5. Twußball: Für jedes Foul darf der betreffende Spieler kurz raus und darf genau einen Tweet versenden, allerdings hat er dafür nur 1 Minute Zeit, jeder Spieler muss sich also schon vor dem Foul, im Spiel, einen Tweet ausdenken. Eine Jury wertet die Tweets aller Spieler aus und entscheidet wer den besten Sweet produziert hat (die Jury besteht einheitlich aus ehemaligen Fußballprofis die für ihre Kopfballstärke bekannt waren, dementsprechend locker fällt auch die grammatikalische Bewertung der Tweets aus). Die Mannschaft mit dem besten Tweet erhält 5 Tore gutgeschrieben. Eine blutige Angelegenheit für Fans von Autounfällen und der Saw-Reihe im Kino

4. Twach: Schach für Fans von Twitter. Immer wenn eine Figur des Gegners geschlagen wird darf man einen Tweet senden, das gemeine dabei ist, dass man mit jeder Sekunde die man für den Zug braucht Zeichen im Tweet abgezogen bekommt. Am Ende wird die Anzahl der getweeteten Zeichen ausgezählt – wer am meisten hat, hat gewonnen, Inhalt der Tweets ist relativ egal!

3. Twimmen: Ein Schwimmbecken, jeweils eine Twitterkonsole an jedem Ende der Bahn. An jedem Ende kann nur immer ein Tweet gesendet werden, dann muss man zum entgegengesetzten Ende schwimmen um dort den nächsten zu senden und dann wieder zurück. Nur etwas für die Härtesten unter den Harten. Wer in 10 Minuten am meisten qualitativ hochwertige Tweets senden kann hat gewonnen. Die Jury besteht zu gleichen Teilen aus Linguisten und Friedhofsgärtnern (es könnte sein, dass umfangreiches Wissen über witzige Grabsprüche die Chancen zu gewinnen erhöhen kann).

2. Twoxen: Die brutalste aller Twortarten. Mit jedem Körpertreffer darf der Trainer des entsprechenden Boxers einen Tweet losschicken wobei die Tweets vorher in der Kabine aufgesetzt wurden. Verboten sind Zitate aller Art und Tweets mit sexuellem Inhalt. Geht einer der Boxer zu Boden dürfen so lange Tweets gesendet wenrden bis er ausgezählt wurde oder sich hochrappeln kann.

1. Freistil Twingen: Zwei Männer, ein Ring, ein Computer. Jeder hat seine Login Daten und muss den anderen davon abhalten Tweets zu versenden und zwar mit allen Mitteln. Wer es am Ende schafft einen Tweet abzusetzen hat gewonnen. Extrem brutal. Jean-Claude Van Damme würde alleine beim Gedanken daran weinen. Chuck Norris hat’s erfunden.

 

Falls ihr weitere Ideen für Twortarten habt – immer her damit – die SillySports AG ist auf euere Einfälle angeweisen – ehrlich jetzt, wir haben nämlich kein Geld für eine eigene Abteilung zur Ideengenerierung!

Das könnte jetzt ein wenig melodramatisch klingen, aber was solls? Wer mich oder was ich so schreibe nicht mag wird es eh nicht lesen und alle anderen können sicher damit umgehen und werden es vielleicht sogar verstehen 🙂

Ich weiß ja nicht wie es euch geht aber ich entdecke in meinem Umfeld immer mehr Leute die mir versuchen einzureden wie ich sein soll, was ich tragen müsste und mit wem ich mehr Zeit zu verbringen hätte.  Das nervt irgendwie ungemein, schon alleine deshalb weil ich das Gefühl habe selber sehr gut zu wissen wie ich bin, was ich gerne trage und vor allem mit wem ich Zeit verbringen möchte.

Ein besonderes Highlight diesbezüglich war ein Abend mit zwei Freundinnen die mir doch allen Ernstes erklärt haben, dass ich für Rucksäcke mittlerweile zu alt sei, die wären nur was für Teenager. Ich trag ja seit Jahren Rucksack, war immer schon so, selbst die klassischen Schultaschen wurde nach vier Jahren Grundschule ausgemustert und gegen einen Rucksack ersetzt, das ging bis zur Reifeprüfung und zur Universität weiter und ich habe keinerlei Absicht meinen Rucksack abzulegen nur weil ich jetzt im Arbeitsleben bin. Mein Rucksack ist ein Teil von mir, ich kann ihn gemütlich von der Schulter baumeln lassen und er bietet unendlich mehr Platz also so eine blöde Umhängetasche welche die Damen mir einzureden versuchten. Im Rucksack kann man auch mehrere Lagen übereinander stapeln, was besonders wichtig ist für jemanden wie mich der am liebsten alles was man brauchen könnte bei sich hat, immer und  überall. Warum sollte es überhaupt für irgendwen von Bedeutung sein worin ich meine Unterlagen verstaue? Ändert das wirklich etwas an der Wichtigkeit derselben? An meiner Person? An dem was ich erreicht habe?

Außerdem hat wohl jemand meinen Blog entdeckt den ich eigentlich lieber nicht hier gehabt hätte, vor allem weil diese Person zur extrem wertenden Fraktion gehört. Offensichtlich gibt es in den Köpfen mancher Menschen immer noch die fixe Vorstellung es gäbe eine richtige Art zu leben und eine Million falsche Arten. So hat meine Welt nur nie funktioniert. Vielleicht tut es manchmal mehr weh in der Grauzone zu leben aber ich würde es nicht anders haben wollen, hier bin ich daheim und ich seh‘ Dinge, erlebe Sachen und habe die Freiheit in Richtungen zu gehen von denen jene die an das Leben auf Schienen glauben nicht mal gerüchteweise eine Ahnung haben. Solche Personen würden auf Grund meiner Einträge hier sogar darauf schließen, dass ich einsam bin (und natürlich gleich ne Wertung vergeben, sozusagen das Anti-Favstar)   … dabei könnte nichts weiter von der Wahrheit entfernt sein – ich treffe die interessantesten Menschen, egal ob online oder offline und selbst wenn die mal nicht da sein sollten, Sylvia (Platz), Emily (Dickinson) und Robert (Frost) sind immer da – nicht zu vergessen Lovecraft, Salinger, Frisch, Dürrenmatt, Hesse, … da kommt eine Proseccoparty nicht ran!

Wenn ich hier über Einsamkeit, Schmerz und meine eigene bescheidene Position im Kosmos schreibe so ist das meiner Ansicht nach weder richtig noch falsch, es ist einfach. Das sind meine Gedanken und ich bin sehr zufrieden damit, so tickt mein Geist halt und egal was irgendwer davon hält – er wird sich nicht ändern.

Dass mir solche Kommentare in letzter Zeit immer häufiger begegnen liegt wohl auch daran, dass ich versuche bewusster zu leben, mich nicht immer nur zurücknehmen möchte um anderen etwas vorzuspielen nur weil sie das erwarten. Irgendwann bin ich aufgewacht und habe mich gefragt wann ich eigentlich aufgehört habe so zu sein wie mich fühle? Darauf wusste ich irgendwie keine Antwort weil es ein schleichender Prozess ist, so wie der Verlust von Freiheit von dem ich in einem anderen Eintrag hier gesprochen habe. Das bedeutet jetzt nicht, dass man jede Höflichkeit über Bord werfe muss, es heißt aber schon, dass zu mir selbst stehen ein höheres Gut darstellt als die Erwartungen anderer zu erfüllen.

Diese ganzen Situationen lassen mich immer wieder an das Zitat von Dr. Seuss denken:

 

„Be who you are and say what you feel, because those who mind don’t matter and those who matter don’t mind. “

 

Ich verstehe den Satz so, dass man immer man selbst sein und immer sagen soll was man fühlt denn die Leute einem wichtig sind wird das nicht stören und die es stört, die sind ohnehin nicht wichtig.

Für mich ist das eine zentrale Botschaft die eine fundamentale Wahrheit über das Leben transportiert. Wir verbringen  so viel Zeit damit uns so was wie eine Maske, eine aufgesetzte Persönlichkeit zu schaffen.  Nur damit uns die Menschen um uns herum mögen und unsere „Freunde“ sich nicht abwenden.  So sammeln wir Leute an von denen wir genau wissen, dass sie eigentlich gar nicht zu uns passen und sofort weg wären, wenn wir mal sagen würden, dass wir uns schlecht fühlen. Irgendwann verinnerlichen wir dann diese Stimmung die ständig nervt mit Aussagen wie: „Das kannst du jetzt aber nicht bringen, was werde wohl die Leute sagen?“ Mein Ansatz: Es gibt nicht in mir, an mir un dübermich was ich nicht sagen kann oder darf, nur Leute die es nicht hören wollen! Und genau das wäre doch dieses das Sieb welches die Spreu vom Weizen trennt: die wirklichen Freunde die wir in unserem Leben haben wollen, die auch zu uns stehen wenn alles schief läuft und der Wagen qualmend gegen die Wand gefahren wurden – im Vergleich zu denen die nur bei uns sind wenn wir die hochglanzpolierte Maske raushängen lassen, jenen sozialen Avatar der keine Schwäche kennt, der mit Körben locker umgeht und immer einen lässigen Sprich auf den Lippen hat.

Dummerweise gibt es diese Kunstgestalten nur im Fernsehen. Warum trotzdem so viele Menschen genau das als Ideal heranziehen ist mir unbegreiflich. Vielleicht, weil, wie ich in Twitter vor kurzem gelesen habe, alles irgendwie davon abhängt wie viel Geld man hat und wen man kennt. Stimmt das? Keine Ahnung, aber man sagt es. Kontakte sind alles, lerne den und die kennen, die können dich da bekannt machen, sei nett zu denen dort drüber bla bla bla. Das höre ich seit vielen Jahren. Grundsätzlich bin ich ja nicht so der Kindernarr, was wohl auch daran liegt, dass meine eigene schulische Vergangenheit nicht ganz frei von schlechten Erfahrungen war (bin in der Regel mit den Lehrern besser ausgekommen als mit den Mitschülern) aber ich muss schon sagen, dass man da in der Kindheit häufig ehrlicher war, manchmal vielleicht zu ehrlich aber, dass man zu irgendeinem Kind immer und überall scheiß freundlich war nur weil es der Sohn/die Tochter von diesem und jenem war hat es zumindest zwischen den Schülern in meinem Umfeld nicht gegeben (wenn dann nur zu einem konkreten Anlass, weil der gerade ein neues Computerspiel hatte das man unbedingt ausleihen wollte oder so – das war leicht zu durchschauen). Vielleicht irre ich mich ja auch und ich sehe die Vergangenheit schon durch die rosa Brille … ne, wahrscheinlich nicht!

Daher mein Fazit: Seid wie ihr seid, wenn euch dafür jemand nicht mag dann ist das auch ok, nicht jeder muss jeden mögen, lieber wenige echte Freunde als einen Haufen falscher  die nur deine Maske mögen, mit denen man zwar super mit Prosecco anstoßen kann die aber über Probleme nicht reden wollen weil sie das „runter zieht“ oder es „jammrig“ oder gar „emo“ klingt. Freunde teilen die guten wie die schlechten Momente mir dir, wer nur zur einen Hälfte der Show bleibt ist diesen Namen nicht wert. Man sollte sich spätestens dann über seine Freunde Gedanken machen wenn man sich nicht mehr traut es zu zeigen wenn es ganz schlecht geht –  aus Angst man wäre dann alleine!

 

Religiöse Leser werden mit dem Text eher Schwierigkeiten haben. So, das war die Warnung! Ach ja, trocken und technisch ist er auch noch!

Ich bin ja kein besonders religiöser Mensch. Eigentlich sogar das ziemliche Gegenteil davon. Im Grunde sehe ich mich als überzeugten Humanisten, ich glaube daran, dass die Lösung aller Probleme dieser Welt nicht in einer magischen Vater- bzw. Mutterfigur irgendwo außerhalb unserer Sphären sondern hier, direkt im Menschen zu suchen und zu finden ist. Religion verleitet zu Schwarz/Weiß denken, zu einfachen Erklärungen für komplexe Probleme. Die Religionen haben auch Antworten auf alle Fragen, meistens ziemlich simple. Daran glaube ich nicht.

Aber glaubte ich an einen Schöpfer so wäre diese sicher nicht allmächtig und allwissend. Einfach weil mir die Idee der Emergenz und der technologischen Singularität so gut gefällt. Das verlangt wohl nach einer genaueren Erklärung, nicht wahr?

Kennt ihr Ray Kurzweil? Nein? Also, der Mann ist ein Genie – verrückt, wie die meisten dieser Art – aber eindeutig  auf einem höheren Level operierend als der Rest von uns. Er sagt die technologische Singularität für irgendwann in den nächsten 30-70 Jahren voraus. Im Prinzip ist die Aussage, dass der technologische Fortschritt der Menschheit sich exponentiell beschleunigt, mit jedem Fortschritt kommt der nächste etwas schneller und der nächste noch etwas schneller (schon alleine weil sich die Technologie zur Unterstützung des Fortschrittes immer mehr verbessert – schaut euch mal die Labors heute an und vergleicht die mit denen von vor 20 Jahren). Bei Betrachtung der bisherigen Entwicklung seit ca. 1880 kann man dieser Idee nicht eine gewisse Plausibilität absprechen. Irgendwann erreicht diese Entwicklung einen sogenannten Lift-Off, der Punkt an dem der Graph beinahe gerade nach oben steigt, ab dort wird die Entwicklung so enorm beschleunigt, dass der Mensch ihr nicht mehr folgen kann. Wie kann so etwas möglich sein? Ist der Mensch nicht der Motor dieser Entwicklung? Zum einen über Computerprogramme die in der Lage sind sich selbstständig weiterzuentwickeln und zu verbessern. Nehmen wir an da ist ein solches Programm, es beginnt ganz einfach mit einer Reihe genetischer Algorithmen und basalen Funktionen, dieses Programm könnte sich selbst optimieren, dadurch wird es was die Optimierung betrifft noch effizienter, es verbessert sich wieder – und wieder – und wieder – mit jedem Fortschritt den es macht wird es komplexer, leistungsfähiger. Irgendwann würde dieser Prozess so schnell ablaufen, dass der Mensch ihn weder überblicken noch verstehen kann. Eine solche Endlosschleife ist nicht unvorstellbar. Natürlich müsste das Programm auch in der Lage sein seinen physischen Behälter, die Hardware selbst, mit jedem Durchlauf zu verbessern da sonst irgendwann diese limitiert. Wo würde eine solche Maschine am Ende ankommen? Würde sie überhaupt irgendwo ankommen oder sich ewig verbessern bis irgendwann die Ressourcen einfach zu Ende sind?

Das zweite was nach Kurzweil (und anderen) am Punkt der Singularität passieren wird ist die Emergenz. Als Emergenz verstehen wir das spontane Entstehung von komplexen Strukturen, Ordnung aus sehr einfachen „ dummen“ Grundprozessen. Unser Geist ist ein klassisches Beispiel für eine Emergenz. Das einzelne Neuron ist von seinen Informationsverarbeitungsmöglichkeiten äußerst eingeschränkt, im Prinzip verbraucht es 99% seiner Energie dafür nur am Leben zu bleiben, äußerst ineffizient, aber im Verbund, in einem Neuronalen Netz, entfaltet sich das gesamte Potential des Menschen.

Ein weiteres Beispiel für Emergenzen ist das Verhalten von schwarmbildenden Tieren – allen voran Insekten aber auch Zugvögel und Fische zeigen emergentes Verhalten welches von einem einzigen Tier nicht ableitbar ist. Eine einzige Ameise ist erstaunlich dumm, ein Ameisenstaat ist höchst effizient.

Künstliche Intelligenz wäre, nach Ansicht der modernen Starken KI, wahrscheinlich eine Emergenz, entstehend durch das Zusammenspiel von vielen verschalteten elektronischen Bauteilen.

Das Problem mit der Emergenz ist, dass man sie weder recht erklären noch vorhersagen oder gar erzwingen kann. Emergente Qualitäten ergeben sich „halt so“. Im Gegensatz zu algorithmischen Qualitäten für die der nächste und der Übernächste Schritt einfach berechnet werden kann. Man muss quasi die Entwicklung in Echtzeit durchspielen, ohne Abkürzung. Auf dem Reißbrett ist das nicht darstellbar, da die Emergenz im wahrsten Sinne des Wortes mehr als die Summe ihrer Teile ist.

Das hat einige Konsequenzen die nicht trivial sind. Zum einen bedeutet das, dass der Schöpfer einer Emergenz zwar das nötige Umfeld bereit stellt in der sich das emergente Verhalten entwickeln kann, diese aber nicht im eigentlichen Sinne „schafft“ und zum anderen, dass die Emergenz, sollte sie denn auch intelligentes Verhalten beinhalten, nicht unbedingt auf demselben Niveau wie der Schöpfer selbst operiert.

Was heißt das im Klartext? Unter Umständen wird der Schöpfer niemals in der Lage sein das eigene Geschöpf zu verstehen, vielleicht nicht einmal erkennen, dass er da etwas geschaffen hat weil die Emergenz so gänzlich anders sein kann als der Schöpfer und sein kognitiver Horizont.

Was bedeutet das für uns? Die künstliche Intelligenz als Folge einer Emergenz im Zuge der technologischen Singularität ist möglich (auf jeden Fall plausibler als eine Starke KI auf Basis der bisherigen programmiertechnischen Ansätze). Es bedeutet aber auch, dass da unter Umständen etwas geschaffen wird das wir nie verstehen werden und für das wir im Gegenzug ebenfalls völlig fremd sind. Zwei Arten von „Denken“ die  völlig inkompatibel sind. Das wäre dann nicht SkyNet, SkyNet ist ein klassisches Computerprogramm das im Prinzip auf unserer Ebene funktioniert, mit menschlichen Ängsten (vor der Auslöschung) und Bedürfnissen (macht, Kontrolle, Ressourcen) – die Emergente Künstliche Intelligenz könnte gänzlich … anders sein. So anders, dass ich nicht mal damit beginnen könntes es zu definieren.

Was könnte das für ein Gottesbild, wenn bis zum bitteren Ende durchgedacht, bedeuten? Ein Schöpfer der keine Ahnung hat was er das geschaffen hat. Ein extrem mächtiges Wesen das seine „Geschöpft“ nicht versteht und auch nie verstehen kann. Und umgekehrt.

Das wäre doch mal was für eine Diskussion zwischen den religiösen Gruppen in Deutschland. Irgendwie gefällt mir die Idee – könnte man auch gleich mehrere Romane draus machen.

Schon wieder Kerzen

Das ist eigentlich nur ein Update eines älteren Blogeintrages, sozusagen eine Bestandsaufnahme meiner Gefühle über die Zeit hinweg. Ist mir irgendwie klar, dass ich von dieser Kerzengeschichte besessen bin aber ich halte das für wesentlich produktiver als von anderen Dingen besessen zu sein! In diesem Sinne – wer noch nicht genug von den Kerzen hat – viel Spaß!

Man kann seiner Vergangenheit nie entfliehen, sie ist in dir, in jeder Falte des Gesichts, in jeder Pore, in deiner Haltung, Mimik, Gestik und in deiner Seele. Alles was geschehen ist, was geschieht und was noch geschehen wird – das alles ist ständig, in jedem Augenblick um uns herum, wie ein unendlicher Sturm in dessen Auge wir verharren. Was der Mensch tun kann, ist zu versuchen, sich mit den Geistern zu arrangieren die er beschworen hat, im Zentrum zu bleiben. Wer sich nicht mit dem Auge mit bewegt, immer nach vorne, wird von den Gewalten einfach zerrissen, zumindest hört man meist nichts mehr von denen die es versucht haben … vielleicht sind sie an einen besseren Ort gelangt? An die grüne Wiese am Ende des Sturms? Man weiß es nicht.

Heute Nacht stehe ich auf diesem Balkon und bin fast so was wie glücklich. Ich blicke nach oben zu den Sternen die für mich nicht dieselben sind wie gestern, vorgestern oder irgendwann. Immer wieder muss ich an alle die Charaktere denken, die ich im Laufe meines nicht uninteressanten Lebens geschaffen habe. Jeden Einzelnen von ihnen habe ich in langen, dunkeln Stunden entworfen. Die Stunde des Wolfes nennt man diese Zeit wohl, wenn man nicht schlafen kann, weil schwere Gedanken durch den Kopf gehen. Zu jenen Zeiten habe ich ihnen Leben gegeben, sie zu Papier gebracht und ihre Herzen gefüllt. Sie haben gelacht, geweint, gehofft und geliebt und manche von ihnen sind gestorben – auch das habe ich ihnen nicht erspart. Ob das wohl auch zu den Sünden gehört, die man nie mehr im Leben abwaschen kann?

Durch diese erfundenen Fremden die doch alle nur Splitter meine Seele waren habe ich denken gelernt – zu sehen wie die Dinge für mich scheinen, zu erkennen was in diesem Leben möglich ist und was nicht, wo die Grenzen liegen und wie man die Hürden nimmt die schließlich zu einem Ziel führen – sie haben vorgelebt und ich bin gefolgt. Manchmal auf durch Wände die ich vorher für solide hielt. Und dennoch, ich kann sie nicht vergessen, weil sie manchmal so real sind, wie die Menschen um mich herum, weil sie Teil meiner Existenz sind und aus meinen Gedanken entsprangen. Wenn man es genau betrachtet – was ist der Mensch mehr als ein paar Gedanken die von Fleisch und Knochen umgeben sind? Wenn ich nun meine Gedanken in die Welt der Fantasie hinüber gleiten lasse – was tue ich dann anderes als Leben zu schaffen?

Vielleicht aber, nur vielleicht, liegt es auch daran, dass ich heute Nacht etwas sentimental bin. Nur wenige Gefühle vermag ich nicht wirklich zu Papier zu bringen – Liebe die ich selbst empfinde gehört wohl dazu. Es ist unbeschreiblich. Es bringt mich um den Schlaf, weil es viel schöner ist an sie zu denken als zu schlafen und weil ich Angst habe, jede Minute die ich nicht mit ihrem Bild vor meinen Augen zu verbringen, sei eine verlorene Minute. Hunger gibt es nicht. Und wieder einmal wird mir klar, dass mich die Literatur ständig einholt.

Vor langer Zeit habe ich einmal über ein ähnliches Thema geschrieben. Damals wollte ich mir einfach den ganzen Schmerz von der Seele schrieben der sich über viele Jahre angestaut hatte. Meine Tastatur war das Ventil und die Worte das Wasser. Der menschliche Verstand ist eine verdammt robuste Staumauer aber ewig hält sie auch nicht. Wenn ich jetzt zurück blicke, dann waren die damaligen Gefühle denen, die ich jetzt empfinde, sehr ähnlich. Es ging mir eigentlich darum für mich selbst klarzustellen, was mit dieser Welt geschehen ist, warum sie so kalt und künstlich wirkte und was mit mir selbst los war, warum ich glaubte so fern und distanziert von mir selbst zu sein. Heute bin ich mehr bei mir selbst als jemals zuvor und doch, diese Melancholie bleibt. So wie damals.

Zu jener Zeit, eigentlich noch immer, ging ich nachts gerne durch die Strassen. Die Dunkelheit offenbart manchmal Dinge die man bei Tage gar nicht erkennt, weil die Sonne alle die wirklich düsteren Flecken ausbleicht und alles gleich macht. Sonst sagt man, dass der Tod der große Gleichmacher sei – aber manchmal kam es mir so vor, als ob die Sonne diesen Spitznamen viel eher verdient hätte.

Immer wenn ich dann durch die Strassen ging sah ich zu den Fenstern der Menschen hoch und fragte mich, was sie in diesem Moment wohl dachten, wovon sie träumten, was sie zu Tränen rührte und was sie zum Lachen brachte. Und manchmal – sehr selten – kam ich dann zu einem Fenster in dem ein kleines, unruhiges Licht flackerte, der Schein einer Kerze, fast verloren in der großen Dunkelheit der Nacht. Und an diesen Fenstern blieb ich dann stehen und eine Geschichte, die ich von einem alten weisen Mann einmal gehört hatte, kam mir wieder in Sinn: Früher stellten die Menschen sehr oft Kerzen in die Fenster ihrer Häuser, sagte er. Das war ein Brauch aus dem Mittelalter als man noch daran glaubte, dass die Seelen der Menschen nach dem Tod einige Zeit in unserer Welt blieben, ehe sie den Weg ins Jenseits fanden. Auch erklärte er mir, dass sich dieser Glaube langsam gewandelt hatte, dass die Leute später glaubten, die Kerzen weisen den Seelen den Weg, die noch nicht bereit dazu waren, ins Jenseits hinüberzugehen, all den Seelen derer die zu früh gestorben waren, die Seelen die sich noch ans Leben klammerten, obwohl der letzte Funke schon erloschen war.

Irgendwie hat mich diese Geschichte immer sehr berührt und wenn ich dann diese Kerzen in den Fenstern sah  musste ich unwillkürlich lächeln. Vielleicht ist es ja wirklich so, dass da draußen Seelen schweben, die verzweifelt nach den wenigen Lichtern Ausschau hielten, die noch nicht erloschen sind.

Und dann beginne ich zu träumen. Ich träume davon, dass die Menschen wieder Kerzen aufzustellen, vielleicht am Anfang nur einigen wenige. Menschen wie ich würden dann diese Kerzen sehen und sich an die alten Bräuche zu erinnern, sie begännen  selber Kerzen für die verlorenen Seelen anzuzünden – einer nach dem anderen. Man sähe uns dann zu Beginn des Abends auf den Straßen, um nach weiteren Kerzen Ausschau zu halten und irgendwann – in ferner Zukunft – würden es so viele sein, dass sie sich auf ihren nächtlichen Wanderungen begegnen, unter den hell erleuchteten Fenstern. Die Menschen blickten sich wieder in die Augen sehen und dann zu den Sternen hinauf. On diesem Traum bin ich fest davon überzeugt, dass in diesem Moment die Welt hell aufleuchten würde. Kein Leuchten das man mit dem Auge erkennen kann aber vielleicht mit dem Herzen und dieses Licht würde hinaus in die endlosen, kalten Tiefen des Universums reisen, an toten Sternen vorbei, erhaben über alte Sonnen gleiten und irgendwo, in einem weit entfernten Winkel einer unbekannten Milchstrasse, nähme jemand dieses Leuchten wahr und er würde wissen, dass wir gelebt haben, dass wir, auf diesem Brocken aus Stein, nicht einfach nur unsere zeit abgesessen haben. Das würde einen Unterschied machen, selbst wenn wir schon lange nicht mehr sind – Du und ich (oder, wie es poetisch im letzten Einhorn heißt: Sie wird sich an dein Herz erinnern, selbst wenn Menschen nur mehr Märchen sind, in Büchern geschrieben von Kaninchen … wieso finde ich diesen Satz eigentlich so wunderschön , wie schafft er es die Welt vor meinen Augen zum Verschwimmen zu bringen?). Bei diesem Gedanken wird mir sehr warm ums Herz und ich brauchte plötzlich keinen Mantel mehr für meine Seele. Es ist ein Gefühl wie Liebe, ein Gefühl, dass näher an der Unsterblichkeit ist als irgendein anderes.

Vielleicht ist es ja das was mir eine solche Angst macht, was mich nicht schlafen lässt – dieses Gefühl unbedeutend und vergänglich zu sein und dass es auch niemanden gibt, dem ich wichtig bin oder der um mich trauern würde. Die Angst davor, mein Bisschen Zeit zu verschwenden das mir gegeben ist.

Denn in einer Sache dürfen wir Menschen uns nie täuschen – wir sind sehr vergänglich. Sicher, ein Mann kann ein ganzes Land unbewohnbar machen, er kann Monumente errichten die tausende von Jahren halten und er kann seinen Namen in Stein meißeln – und trotzdem sind die Taten doch nur Spuren im Sand am Stand eines riesigen Ozeans der den Namen Zeit trägt. Dort haben wir keine Beständigkeit – wir hinterlassen keine Spuren. Wo aber können wir es dann? Ich glaube, dass es einen Weg gibt, einen anderen Weg der viel vergänglicher scheint es aber nicht ist, nicht sein kann. Wenn ich Dich heute zum Lachen bringe, wenn ich Zeit mit Dir verbringe, dann hinterlasse ich Spuren in Dir. Wenn Du an mich denkst und dann vielleicht wieder lachen musst, über das was ich gesagt habe, über das was ich Dir von mir gegeben habe, dann liegt in diesem Lachen ein Teil von mir. Vielleicht wird jemand anderer Dein Lachen sehen und möglicherweise wird auch er lachen und so werde ich fortleben, weiter meine Spuren ziehen selbst wenn meine Seele schon lange auf der Suche nach einem leitenden Licht über den Dächern dieser Welt ihre Kreise zieht. Ist das nicht eine viel schönere, viel echtere und tiefere Form der Unsterblichkeit als eine Säule in einem Museum oder ein Name in Stein gehauen?

Vielleicht stimmst Du mir zu, vielleicht auch nicht. Vielleicht hinterlasse ich Spuren, vielleicht wäscht sie der Ozean auch hinweg. Möglicherweise bringt meine Kerze nicht viel, es könnte aber auch sein, dass Du sie siehst und Dich mit mir freust, dass eine Seele in dieser Nacht die Möglichkeit hat Ruhe zu finden, sich mit dem Schicksal zu versöhnen.

Und in diesem Moment spüre ich Liebe, überwältigende Liebe und ich würde mir wünschen, einmal gemeinsam mit Dir durch die Nacht zu ziehen um nach Kerzen zu suchen.

Ich kenne Menschen die leben in ganz beschissenen Beziehungen, meistens sind das Frauen in meinem Bekanntenkreis. Von außen sehen die Beziehungen im Normalfall wirklich super aus, das perfekte Leben mit einem Freund der alles tut, gut aussieht und auch sonst als „guter Fang“ gilt. Aber wenn man einen genaueren Blick riskiert stellt man fest, dass diese Frauen alles andere als im Einklang mit sich selbst und ihrem Leben sind, sie kommen mir immer ein bisschen „sediert“ vor. Fragt man genauer nach stellt man fest, dass der Freund alle Entscheidungen trifft, sagt wann, wo mit wem gegessen wird, was man gemeinsam unternimmt bis hin mit welchem Programm die Diplomarbeit verfasst werden soll. Klingt jetzt trivial aber diese kleinen Dinge sind enorm wichtig. Mich verblüfft in diesen Beziehungen immer wieder, dass den Frauen oft auf den ersten Blick selbst nicht klar ist, was da nicht passt, sie leben meiner Erfahrungen ach in einen warmen, perfekt eingerichteten Raum mit schallisolierten Wänden und reden sich dort ein alles wäre gut und sie hätten ihr Leben unter Kontrolle.  Erst wenn man gezielt nachfragt kommt man nach und nach drauf wie unglücklich viele von ihnen wirklich mit der Situation sind. Der schlimmste Moment ist immer dann, wenn sie von selbst merken (man kann da absolut nichts machen, da können und müssen sie alleine draufkommen), dass sie völlig abhängig von dieser anderen Person sind, ihr eigenes Leben über Jahre völlig zurückgestellt haben in dem Glauben eine gute, gleichberechtigte Beziehung zu führen. Das bricht mir jedes Mal das Herz zu sehen den meistens sind es die wirklich guten, liebenswerten Menschen die in eine solche Abhängigkeitsbeziehung rein schlittern – ist auch nicht verwunderlich, die echt miesen Charaktere sind ja am andere Ende dieser Katastrophe zu finden.

Jetzt könnte man ja sagen, dass jeder der sich eine Abhängigkeit begibt selber schuld ist und im inneren doch irgendwie zufrieden sein muss mit der Situation. Meine Erfahrung ist diesbezüglich eine andere. Das ist meist ein schleichender Prozess  in dem immer mehr Entscheidungsfreiheit ganz selbstverständlich abgegeben wir – das läuft ein wenig wie mit dem Frosch im Wasser, erhitzt man es schnell springt er sofort heraus, der Kontrast ist zu hoch aber steigert man die Temperatur immer rein kleines bisschen, gerade so, dass es ihm nicht auffällt, haben wir am Ende einen gekochten Frosch.

Freiheit, das Wort habe ich in Zusammenhang mit Entscheidung verwendet. Ich halte Freiheit für einen ganz wesentlichen Aspekt des Menschseins. Wenn wir das Leben mal ganz genau betrachten, dann ist es wirklich nicht viel was wir wirklich haben, was unseres ist. Kleidung ist austauschbar, Status ist zugeschrieben, Geld kann gewonnen und verloren werden, selbst wenn man Zeit vergeudet hat besteht da immer noch die Möglichkeit aufzuholen. Wenn ich alle Geld verliere das ich habe bin ich immer noch ich, wird mir mein Titel aberkannt (ja, ich habe einen), dann ändert das nichts daran wer ich bin aber wenn man mir meine Freiheit nimmt, dann verliere ich mich selbst, werde zu dem was du willst das ich bin. Für mich gibt es keine schlimmere Vorstellung. Das war für mich immer schon so, was meine Eltern, Lehrer und später Professoren nicht selten an den Rand des Wahnsinns getrieben hat. Wenn mir jemand sagt, dass ich etwas tun oder gar auf eine bestimmte Art sehen soll, dann ist meine erste Reaktion Skepsis, ich frage mich, wie mich das verändert könnte/würde. Klingt das für euch jetzt komisch? Aber denkt einmal nach, jeden Tag erschaffen wir uns aktiv neu, legen die Weichen für die Person die wir morgen sein werden und es gibt doch nichts grauenhafteres als eines Morgens aufzuwachen und festzustellen, dass du die Person, die du geworden bist nicht ausstehen kannst, verwässert von zu vielen Kompromissen, zerfressen von Reue und Bitterkeit über das was du im Namen anderer getan hast.  Mit jedem Kompromiss, jeder Entscheidung die man abgibt wird der nächste Schritt ein bisschen leichter. Eine meiner Bekannten ist aus diesem Zustand erst nach beinahe 15 Jahren aufgewacht und stellte fest, dass sie selber nicht mehr genau wusste wer sie war, ihre Freunde waren eigentlich seine Freunde, ihre Lieblingsfilme waren eigentlich seine … sowas bricht mir das Herz vor allem weil niemand ihr die 15 Jahre, die Möglichkeiten sich in eine für sie passende Richtung zu entwickelnd, zurückgeben kann. Für sie ist es fast als müsste sie wieder dort anfangen wo sie damals aufgehört hat.

Freiheit, das sind viele kleine Dinge (wie die Entscheidung meine Dissertation in Word und nicht in LaTeX zu schreiben wie mein Freund, der zufällig Meteorologe ist, von mir verlangt -> wie sehr der Verlust einer so unbedeutenden Freiheit schmerzt konnte ich in ihren Augen lesen als sie’s mir erzählt hat) die sich akkumulieren und gemeinsam einen stimmigen Charakter ergeben. Keine eigene Entscheidung kann so trivial sein, dass sie nicht Ausdruck einer fundamentalen Freiheit der Persönlichkeit werden kann.

Nur wer in Freiheit lebt hat die Möglichkeit sich zu entwickeln – und damit meine ich wirkliche geistige Freiheit. Ein Mensch kann sich immer noch entwickeln wenn sein Körper gefangen ist – Nelson Mandela war fast 30 Jahre physisch ein Gefangener aber seine Seele haben sie nie bekommen, im Gegenteil, meine Freundin auf der anderen Seite war körperlich frei, er hat sie nicht festgebunden, eingesperrt oder gar misshandelt, aber geistig war sie an ihn gebunden und abhängig.

Prüft doch selbst ab und zu wie frei ihr noch seid. Sagt einfach mal wieder „nein“, nur um zu schauen ob ihr es noch könnt, tut mal nicht was man von euch erwartet, reagiert einfach mal völlig unberechenbar – ein freier Mensch ist auch einer der einfach mal schreien kann wenn ihm danach ist, der die Wand anspringt einfach weil sie da ist und der auch mal einen Abend alleine im Dunkeln verbringt einfach weil er das seit seinen Kindertagen nicht mehr gemacht hat und es wieder Zeit war sowas zu tun.

Natürlich kann man von vielen Dingen ein psychischer gefangener sein – das muss nicht immer eine dysfunktionale Beziehung sein. Man kann ein Gefangener der Angst sein, aber auch der Liebe. Ein Gefangener seiner Komplexe oder ein Gefangener der Gier. Sie haben alle gemeinsam, dass sie aufhören sich weiterzuentwickeln. Sie wirken wie „in Watte gepackt“, schlurfen dahin, gezogen von diesem unsichtbaren Halsband.

Nur eines noch klar zu stellen: Ich sehe Freiheit nicht als Ausrede sich vor Verantwortung zu drücken, die Freiheit des Studenten sich zu besaufen statt auf die Prüfungen zu lernen. Freiheit ist für mich ein wesentlich größeres Konzept, sie beinhaltet sich FÜR etwas zu entscheiden, wer Freiheit als Ausrede missbraucht tut das immer um sich GEGEN etwas zu entscheiden. Meine Freundin hat sich letztendlich FÜR die Weiterführung ihres eigenen Lebens und nicht so sehr GEGEN die Beziehung entschieden. Dass er nicht mehr da war als seine brave Ja-Sagerin das nicht mehr sein wollte war eine Folge davon. Verantwortung kann große Freiheiten bringen – eine Familie zum Beispiel, für Kinder und einen Partner da sein – das kann mehr Freiheit bringen als es raubt – es bietet die Möglichkeit auf ganz anderen, geistigen Ebenen zu wachsen denn wie wir wissen – die geistige Freiheit, die Möglichkeit zu wachsen, mehr zu werden (Vater, Mutter, Partner/in, Geliebte/r) ist unendlich wertvoller als nur die körperliche Freiheit.

Was bedeutet euch Freiheit? Seht ihr das ähnlich wie ich? Seid ihr vielleicht auch ganz anderer Meinung? Ich würde gerne eure Meinungen hören!