Archive for Dezember, 2010


Verlassen

Lesen nur auf eigene Gefahr, diese Text kann das Bild, dass du vom Verfasser hast und/oder dein Bild von dieser Welt negativ beeinflussen. Außerdem wird es deinen Tag auf keinen Fall in irgendeiner Weise verbessen. Dieser könnte sehr wohl zu der Kategorie von Posts gehören von denen man sich wünscht man hätte sie nie verfasst (zu dem Thema: Schaut mal was Rivers Cuomo von Weezer in den frühen 2000ern von ihrem Album „Pinkerton“ hielt)

Manchmal geschieht es, dass ein Mensch einfach in ein tiefes schwarzes Loch fällt und keinen Weg mehr hinaus findet. Dieser Mensch sitzt dann plötzlich auf einem Stuhl und denkt über sich und die Welt nach ohne wirklich zu denken, denn die Gedanken sind immer dieselben, gefangen wie ein Hamster in seinem Laufrad oder eine Rekursion zur Berechnung der Fibonacci-Folge. Er fragt sich warum das gerade ihm passieren musste, wo er doch nie gedacht hätte, dass es diese speziellen schwarzen Löcher überhaupt gibt, sie sind unsichtbar, saugen alles Licht auf und lassen nichts mehr nach außen. Auch ich dachte immer, dass das nur dummes Geschwätz wäre, jetzt aber weiß ich, dass die Erzählungen alter Seefahrer die diese Gewässer vor mir bereisten noch untertrieben waren, dass all das große Philosophieren so  verdammt einfach ist, solange man nicht diesem verdammten Gravitationswirbel steckt. Mit Romantik hat das nichts zu tun, nichts mit der stillen Erhabenheit eines Planeten der seine Sonne verloren hat und für den Rest der Ewigkeit in Eis und Schweige durch die Unendlichkeit treibt.  Es ist überhaupt nicht romantisch, edles Leiden ist ein verdammter Mythos.

Und dieser Mensch, der jetzt ich bin, steht in seinem Zimmer und wirft mit Worten um sich, weil  das immer geholfen hat, aber dann bemerkt dieser Mensch, ich, zu seinem großen Erstaunen und Entsetzen, dass es einfach nichts nützt, denn es gibt einen Unterschied zwischen der Welt davor und danach – der Unterschied besteht in einem Gefühl das direkt durch alle Adern fließt, das in einem pulsiert, mit jedem Herzschlag ein Stück weiter im Körper voran wandert und man kann nichts dagegen tun, es frisst einen auf, es brennt an der Seele, unter Haut; lässt die Luft heiß und kalt werden; man hat diese seltsame Schwindelgefühle, setzt sich für fünf Minuten schweigend an den Schreibtisch nur um zu bemerken, dass aus den fünf Minuten eine Stunde geworden ist und kein Gesetz hat mehr bestand. Nervosität lässt nicht zu, dass man ruhig durchatmet und das Hirn schreit einem zu, dass man der Verstand verliert, ein Herzinfarkt kommt, die Rettung zu rufen sei. Es sind zum Teil rote, zum Teil schwarze Gedanken die durch den Kopf wandern, man liebt und hasst zu gleichen Stücken, man beginnt Listen zu schrieben, versucht rationale  Gründe für die Absurdität der Situation zu finden, erpicht Vergleiche zu ähnlichen Situation zu finden, aus denen man unbeschadet herausgekommen ist — aber es gibt keine, nicht in dieser kleinen Welt ohne Logik die sie hinterlassen hat, denn der Verstand ist vollkommen egal, genauso wenig  wie einem eine Rolle Klopapier bei einer mathematischen Gleichung helfen kann — falsche Baustelle, falsches Leben. Ja, das bin ich und ich frage mich, wie es so weit kommen konnte, wann genau der ebene Pfad zu eine, abschüssigen Bergweg wurde – und woher kam bitte die Lawine? So schnell geht das doch nicht, oder? Ich sitze vor dem Fernseher und höre zu wie die Schauspieler ihre Dialoge herunterrasseln — bisher habe ich Liebesfilme nur gesehen weil sie manchmal ganze amüsant sind, aber jetzt sehe ich sie mit Augen, die vorher nicht da waren, als wären neue Sinnesorgane hinzugekommen. Jedes Wort saugt sich m meinem Gehirn fest, ich denke darüber nach und alles kommt irgendwie zusammen, es gibt ein gesamtes Bild das meine Welt zu überstrahlen scheint.

Dann muss ich aufstehen und Lachen — aber es ist kein wirkliches Lachen, denn da ist nur Bitterkeit, ein Weinen ist es aber auch nicht, denn weinen darf ich nicht, das wäre die ultimative Niederlage. Ich habe geweint als mein Hund starb, ich habe geweint als mein Kater starb — ich werde nicht wegen einer verlorenen Liebe weinen.

Schreiben wird schwierig, einerseits treibt es mich an, die Hände müssen beschäftigt werden um nicht von selbst gegen Wände zu schlagen, andererseits lähmt dieser Zustand. Irgendwie sagen alle meine Figuren immer wieder dasselbe, sie bewegen sich in ein und demselben Raum, tragen diese  Kleider, sie denken und handeln alle gleich, als wäre meine ganze Welt implodiert zu einer einzigen Person, ihr — und dann sagen sie plötzlich ganz verrückte Sachen die ich ihnen gar nicht eingebe —oder bin ich es doch? Sie wiederholen meine Gespräche, meine Streitigkeiten, sie sagen was ich nicht zu denken wage. Führen das letzte Gespräch und ich verstehe nichts davon. Wie kommt es, dass ich über Leute schreibe die ich einfach nicht verstehe?

Ich habe auch Angst glaube ich und erkenne, das ich mich selbst belüge und sehr viel besser über das Bescheid weiß, was gerade mit mir geschieht, als ich zugeben will.  

Wir haben uns wirklich gut verstanden, sie war jemand mit dem man reden konnte, witzig, intelligent, verständnisvoll und sie hat auch meine Geschichten  verstanden. Verdammt, ich habe ihr  erzählt und sie schien es zu verstehen, aber wie kam man sich irren. Wenn ich das jetzt so lese komme ich mir vor wie der größte Idiot, zumindest hätte ich das von jemandem gedacht, wenn er mir das erzählen würde, aber jetzt bin ich es selbst.

Natürlich sagte sie, dass sie mich immer noch mag — aber wem kann man schon  vertrauen und was bedeutet das überhaupt noch? Es nicht von ihrem Bruder, einem meiner engsten Freunde zu erfahren wäre ein Anfang gewesen. Aber klar sein müssen hätte es mir in dem Moment, in dem sie sagte sie brauche eine Pause, wer sagte denn bitteschön so was? Doch nur jemand der die Pause längst in die eigenen Hände genommen hat.

Keine Anrufe mehr. Jetzt musste ich anrufen wenn ich mir ihr reden wollte, wie erbärmlich ist das denn? Und das erbärmlichste von allem – ich hätte weiterhin angerufen wenn nicht ihr Bruder mir die Wahrheit gesagt hätte.

lst irgendjemand da draußen  mir sagen kann, was eigentlich schief gelaufen ist? Haben die ,,Sisters“ recht? ,,Love is a strange thing, just when you think you’ve learned how to use it it’s gone.“ Stimmt etwas mit der Welt grundsätzlich nicht oder liegt es an mir? Es muss an mir liegen, natürlich, aber sie hat mich angelogen, in allen Punkten, aber auch daran bin wahrscheinlich ich Schuld. Meine meine meine. Ich retardiere.

„ls there anybody out there, help me sing my song?“ Ja, ist da jemand der mir hilft mein Lied zu singen? Es macht keinen Spaß alleine zu singen, es hilft auch nicht weiter. Was zum Teufel ist eigentlich los mit mir. So bin ich nicht, DAS bin ich nicht. Gefühle gehen noch, bin nicht ganz kaputt, aber nur die Falschen. Mein Mailbox ist auch sehr freundlich: ,,Keine neuen Nachrichten.“ Das baut auf, ganz ehrlich, besser geht es nicht. Heute Nachmittag habe ich ein bisschen mit jemandem geredet den es eigentlich gar nicht interessiert hat und dabei bin ich zu einem noch sehr viel beunruhigenderen Gedanken gelangt.   Was ist wenn es jetzt so bleibt? Das hat jetzt nichts mit Torschlusspanik zu tun, aber ich bekam den besonders originellen Tipp, dass mir eines Tages schon noch die Richtige über den Weg laufen wird, ich muss nur warten und die Augen offen halten. Nett, aber was ist, wenn es die Richtige nicht gibt, oder aber sie will nichts von mir wissen, oder wollte mal etwas von mir wissen steigt aber jetzt gerade mit einem Typen ins Bett dessen passiver Wortschatz nicht mal ausreicht ein einfaches Kochrezept zu verfassen. Verdammt, da ist SIE wieder in meinen Gedanken. Gott was, wenn dem so ist? Wer sagt denn eigentlich, dass es es für jeden Topf einen Deckel gibt? Doch nur die, die so verzweifelt sind, dass sie es sich selber immer wieder vorsagen müssen oder solche, die ihren Deckel längst gefunden haben Es gibt Menschen die nie einen Partner finden, immer alleine und längst nicht alle haben ihr Schicksal selbst und freiwillig gewählt. Aber eigentlich will ich nicht irgendjemanden, ich will sie, jemanden mit dem man lange reden kann, mit dem einem nicht langweilig wird, jemand, in dem man sich selbst  erkennen kann, der aber auch das Komplette Gegenteil von einem selbst ist. Jemand der sich Schlussendlich als Lügnerin und Manipulatorin herausstellt. So jemanden will ich. Du brauchst es nicht zu sagen, ich bin verloren.

Wahrscheinlich bin ich altmodisch: Wenn ich sage, dass ich morgen anrufe, dann rufe ich auch morgen an, wenn ich sage ich helfe, dann helfe ich auch, wenn ich sage: ,,Ich liebe dich“, dann meine ich es auch so. Das ist nicht mehr ,,in“, zumindest nicht dort wo ich herkommen. Ich bin höchsten der, bei dem man sich ausweint. Alles was mir von dieser Sache geblieben ist, sind diese Zeilen die eigentlich nicht viel sagen, weil sie nicht wichtig sind, nichts was ich hier tue ist wichtig, man wird sich nicht daran erinnern; Es geht mir nicht besonders gut, und ich höre dich sagen, dass nur ein Idiot solche Sachen aufschreibt und dann auch noch anderen Menschen zeigt. Aber was soll das eigentlich? Ich gehe auf dem Zahnfleisch, schleppe mich durch die Stunden, liege wach im Bett und hoffe, dass der Mond möglichst schnell wieder durch die Sonne eingetauscht wird.

,,ls there anybody out there, help me sing my song‘?“ Gibt es eine Medizin, ein Ritual, was kann man tun? Natürlich werden jetzt alle sagen ich reagiere über, übertreibe ganze schrecklich. Aber was kann ein Gefangener seiner eigenen Gedanken schon groß tun.

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Kerzen

Das hier könnte deprimierend werden, oder auch nicht, je nachdem von welcher Seite du es betrachtest.

Am Ende des Tages, wenn alle Lichter langsam ausgehen, ist man alleine mit sich und dem Weg den man gewählt hat sowie den Entscheidung auf ihm. Was dann zählt ist nicht wie hell man leuchtet oder was man alles ist und besitzt. Für mich zählt am Ende nur wie viele Leute man glücklich gemacht und wie viel Liebe man gegeben hat. Wenn du einen Menschen kennst, den du zumindest einmal zum Lachen gebracht hast, mit dem du ein richtiges Gespräch geführt hast, dann kannst du zufrieden nicken, die letzte Kerze ausblasen und beruhigt einschlafen. Denn egal ob es ein Morgen gibt oder nicht, du hast einen Beitrag für diese Welt geleistet. Es sind die Kleinigkeiten die zählen, die Welt zu retten ist im Vergleich dazu gar nicht so wichtig.

Manchmal hört man die gewichtigen Herren in marmornen Korridoren bedeutungsschwanger vor sich hin sinnieren, dass ein einzelnes Leben nichts zählt, dass es nicht wichtig ist ober das Individuum glücklich, traurig, reich, berühmt oder gütig sei, aber daran glaube ich nicht. Für diesen einen Menschenzählt es sehr wohl, für ihn gibt es nichts Wichtigeres auf der Welt als das was du in dem Augenblick für ihn tust. Ob dann am Ende ein Gericht, das Nichts oder ewige Glückseligkeit steht sollte dabei nun wirklich keine Rolle spielen.  Wer nur keine Babykätzchen ertränkt weil es per Gesetz verboten ist hat in dieser Überlegung nichts verloren. Enden wird es aber auf jeden Fall, egal wann und wie. Man sollte dem aber mit einem Lächeln begegnen können, dann haben wir meiner Meinung nach gelebt. Mach dir keinen Illusionen Spuren im Sand zu hinterlassen, dazu weht der Wind viel zu stark (frag nur mal Ozymandias) aber wir können Spuren in anderen Menschen hinterlassen.

Vielleicht klingt das jetzt ein wenig naiv aber was wäre, wenn ich heute einen Menschen zum Lachen bringe und morgen sterbe? Würde dieser Mensch sich an mich erinnern, jemand anderen treffen und in einer Woche mit diesem darüber lachen, war wir zuvor schon so lustig fanden? Bin ich dann nicht lebendig, in jedem Glucksen, in jedem Ton, lache ich dann nicht noch über das Grab hinaus? Ich möchte es glauben.

Wir sollten Kerzen füreinander in die Fenster stellen, diese Welt hätte es bitter notwendig. Wann immer ich in die Fenster der Welt blicke sehe ich nur Dunkelheit. Doch manchmal, in ganz hellen, klaren Nächten, wenn ich alleine auf den Straßen bin, sehe ich nach oben und in einem von einer Million Fenster sehe ich den blassen Schein einer Kerze. Diese eine mag für die Welt nicht viel bedeuten doch ich muss dann immer lächeln. Vielleicht kümmert sich die Welt nicht darum aber für diesen einen Menschen, der sie ins Fenster gestellt hat, war es wichtig. Vielleicht hat er in diesem Moment an jemanden gedacht, eine verlorene Seele, und sie haben gegenseitig Spuren in ihren Seelen hinterlassen. Und wenn diese eine Kerze brennt, so denke ich zumindest, wird eine Seele mehr, eine verirrte, einsame Seele, den Weg an ihr Ziel finden. Was wäre nun, wenn in allen Fenster Kerzen brennen würden? Was wäre das für eine Welt voller Glanz und Licht, die Nacht hätte etwas von ihrer Dunkelheit verloren und die Tage wären nicht mehr so trüb. Würdest du dann auf die Straße gehen und nach oben blicken, doch fragen was für Menschen hinter diesen Fenster wohnen, was sie fühlen, denken, vielleicht sogar ihre Ängste, Träume und Hoffnungen nachvollziehen versuchen? Und dann ,eines Tages, auch wenn es nie wirklich geschehen könnte, würden sie alle auf Straße gehen, nur um die Kerzen zu bewundern, die Welt begänne zu strahlen, hinaus ins All und man könnte uns selbst aus dem hintersten Winkel der Dunkelheit sehen und man wüsste, dass es uns gibt, dass diese eine Menschheit nicht nur ein Staubkorn in den unendlichen Weiten wäre, dass wir nicht umsonst hier gewesen sind, Licht und Wärme hinterlassend wo vorher nur Kälte herrschte.

Dieser Tag wird wahrscheinlich nie kommen, wir würden niemals auf die Straßen gehen und sehen, ob da oben Kerzen brennen, denn wir glauben, dass diese eine Kerze, nicht wichtig ist und daher würden wir sie auch nie anzünden. Sollen doch die anderen damit beginnen, oder? Eine einzelne Kerze ist kein Lichtermeer, stimmt doch? Wer würde sich schon um eine einzelne Kerze kümmern? Ja wer?

Trotzdem glaube ich, ein ganz unwichtiger kleiner Mensch, dass sie sehr wohl zählt, denn sie sagt mir, dass da oben ein Mensch lebt der denkt und fühlt. Und ich wünsche mir sehr, dass auch für mich eines Tages irgendwo eine Kerze brennt, egal ob groß, klein, weiß rot oder bunt. Sie darf sogar schwarz sein, was zählt ist, dass diese Kerze brennt und den Weg erleuchtet. Dann werde ich zurückblicken und sagen: „Ja, ich habe gelebt, ja ich war ein Mensch, ja, mein Leben war nicht umsonst, man erinnert sich an mich, irgendwo.

Aber auch das wird nie geschehen, denn ich bin nur einer der nachts durch die Straßen zieht und nach Kerzen Ausschau hält.

Ich mag Twitter, es ist der nächste Schritt in eine Richtung die ich immer begrüßt habe, ein Marsch in dessen frühen Kindertagen die Messageboards des Internets standen und der irgendwo in die Nebel der Zukunft vortgesetzt werden wird. Diese Technologie bietet uns die Möglichkeit Menschen zuzuhören, deren Gedanken uns ansonsten für immer verschlossen geblieben wären und damit meine ich nicht Ashton oder Demi sondern ganz normale Menschen wie du und ich, die plötzlich in der Lage sind ihre oft höchst interessanten Gespräche, Monologe und Selbstgespräche der Welt zu öffnen. Für manche war das früher schon möglich aber dazu brauchten sie einen wirklich großen, bemerkenswerten Initialgedanken und die richtige soziale Position – Sokrates, Seneca, Goethe, Mark Twain – sie gehörten zu jenen Auserwählten und es bildete sich langsam der Konsens, dass nur große Persönlichkeiten solche Gedanken haben konnten. Twitter ist diesbezüglicheine Lektion die uns eines Besseren belehren sollte. Dass dabei auch viel Unsinn produziert wird versteht sich von selbst aber es bleibt eine Tatsache, in meiner bisherigen Zeit bei Twitter bin ich erstaunlichen Einsichten begegnet, manche davon Variationen von schon Bekanntem, andere unbeschreiblich originell. Überzufällig häufig kommen jene spontanen Einsichten in meine Timeline. Ich würe auch jedem der mich fragt anraten selbst einen Twitter Accout zu eröffnen und ein paar Tweets zu verfassen. Sicher, die ersten Posts werden eher wackelige Versuche sein aber mit jedem Tweet schärft sich der Verstand des Verfassers, sofern dieser ernst gemeint ist, wer über seine letzte Suppe tweetet kann unterhaltsam sein wird aber kaum tiefere Schichten des menschlichen Zustandes ankratzen. Meiner Ansicht nach verschafft uns ein vorurteilsfreier, offener Umgang mit Twitter und den eigenen Posts einen Zugang zu unserer inneren Erzählstimme, jener Instanz von der Autoren, zu denen ich mich an meinen besseren Tagen beinahe zähle, behaupten, sie sei die Quelle aller literarischen Werke – ich möchte an Stelle angemerkt wissen, dass nicht wenige Schreibschulen überraschend viel Zeit damit verbringen dem Novizen Wege zu seiner inneren Erzählstimme zu finden. Sie ist auch eine Art inneres Fundamt auf dem alles abgegeben wird was im Laufe des Tages durch die Maschen unseres Bewusstseins fällt – also ein Ort voller Wunder und unbezahlbarer Schätze.

Aber wem folgen? Für Personen die Twitter nicht kennen mag das Konzept von Followern mysteriös erscheinen, einer meiner eher technophoben Freunde mutmaßte sogar eine Art Jüngerkult dahinter. Mitnichten sage ich. Follower sind nur ein anderer Ausdruck für „Zuschauer“ oder „Zuhörer“, auch wenn die Begriffe zu eingeschränkt sind, da aus einem Follower durchaus ein gleichwertiger Partner werden kann wenn sich die beiden gegenseitig folgen und die alte Kunst der Kommunikation aufleben lassen. Also nun die Frage – wem folgen? Wenn man keine Kerngruppe hat von der aus man sein Twitterium aufbauen kann ist es unter Umständen schwierig neue Leute kennenzulernen und Teil deren Netzwerk zu werden und schließlich sind auch Millionen von Twitterern unterwegs deren Ansichten und Einsichten sich teilweise sowohl qualitativ als auch quantitative um den Faktor Zehn unterscheiden.

Was mich betrifft so war eine Mischung aus Drive-by Following  und Netcrawling durchaus brauchbar. Zu Beginn meiner Karriere in Twitter begab ich mich auf die Suche nach interessant klingenden Leuchten (aber keine Prominenten, also niemanden der ein Team von professionellen Schreibern um sich hat – es überrascht wie wenig qualitativ hochwertiges Material sogenannte Prominente produzieren) – diesen Personen folgte ich dann. Schon diesem ersten Schritt war ich überwältigt von der Fülle an Informationen, Gedanken und kurzen Einblicken in die Psyche anderer Menschen Dann beobachtete ich mit welchen Personen diese in Kontakt standen und begann so meine Liste an Personen denen ich folgte immer zu erweitern. Es ergab sich eine höchst komplexe Struktur von Kontakten. So folge ich mittlerweile einer eklektischen Mischung aus Technikern, Gymnasiasten, Freizeitphilosphen und anderen,  die im wirklichen Leben wahrscheinlich nie mit mir geredet hätten. Ich höre ihnen zu, ab und an nehme ich auch direkten Kontakt auf, mit durchaus wechselndem Erfolg. Einige von ihnen sind würdige Lehrer, andere lustig und traurig aber jeder auf seine Art interessant.

Irgendwann habe ich den Punkt erreicht an dem meine Timeline (eine Art Bewusstseinsstrom in Twitter in dem alle Posts jener, denen ich folge, gebündelt sind) begann auszusehen wie das innere meines Gehirns nach mehreren Kannen schwarzen Kaffees. Also habe ich Listen eingerichtet, sehr hilfreich um die Posts einzelner Tweeter zu gruppieren und wir wissen doch alle, dass Menschen Schubladen lieben – was anderes sind Listen auch nicht, glorifizierte Schubladen.

Die Gefahr auf Twitter, wenn es denn eine gibt, ist, dass man den Boden unter den Füßen verliert und zu glauben beginnt, jedes Selbstgespräch würde ständig und jederzeit gesehen und bewundert werden. Ja, Twitter ist auch eine Narzissmus Maschine (könnte man auch von Spiegeln behaupten und gegen die hat in der Regel keiner was, außer ein paar sehr seltsamer Religionsgemeinschaften über die ich aber in einem späteren Eintrag schreiben werde).  Man folgt Menschen, ist bald sehr fasziniert von ihnen und möchte, dass die im Gegenzug auch von einem fasziniert sind. Wenn das nicht passiert kommt schnell Frust auf, man fühlt sich dann unter Umständen noch einsamer als zuvor weil man nun weiß, was da draußen ist, welches Potential die Twittergemeinschaft hat und irgendwo tief drinnen weiß jeder, dass er, wenn er nur ne Chance bekäme, der strahlendste Stern von allen sein könnte. Ihr wisst schon, einzigartig wie eine Schneeflocke und so ein Mist – in diesem Bild ist Twitter übrigens der Flammenwerfer. Man spürt wie nahe die anderen sind und doch bleiben sie in den meisten Fällen ungreifbar – seien wir mal ehrlich, die Leute, die wir auf Twitter am meisten verehren würden nicht für Geld einen Abend mit denen verbringen, die ihnen folgen. Das nennt man soziales Netz – es gibt zentrale Knoten und periphere Knoten, nicht jeder kann ein zentraler Knoten sein, ebenso wenig wie in einem Stamm jeder Häuptling sein kann.

Die höchste Stufe der emotionalen Involviertheit stellt wohl das Verlieben in einen anderen Twitterer dar, idealerweise jemand der auf der GAS (GoShoo Attrativitäts Skala) ganz oben steht während man selbst im einstelligen Bereich herumgurkt (ja, ich sehe dabei mich selbst an). Dieses Verlieben, wie auch immer die Attraktivität gelegen ist, kommt gar nicht so selten vor wie man meinen würde.

Grundsätzlich klingt die Idee ja nicht schlecht, man verliebt sich in jemanden wegen dem was er sagt, seinen WORTEN, von der sozialen Erwünschtheit her absolut top. Wunderschön und beinahe poetisch. Dennoch sind wir meiner Meinung nach in einer Grauzone (willkommen in meiner Welt, einfach Gut/Schlecht gibt es da wohl nicht). Es ist zentral im Kopf zu behalten, dass das, was der andere da von sich gibt hoch gefiltert ist, zumindest mehr als die Ergüsse von jemandem auf einer Tequila-Party an der Bar. Unser armer potentieller Tweeter verliebt sich unter Umständen in das Ideal, welches das Objekt der Begierde von sich nach außen getragen haben will. Dazu kommt noch eine ganz perfide Angelegenheit die ich hier mal ganz psychologisch als Nähe-Distanz-Regulation bezeichnen möchte. Im Grunde ist es ein Regelkreis, der dafür sorgt, dass wir immer die Nähe bzw. Distanz zu anderen Menschen bekommen die wir brauchen. Dieses System reagiert zum Beispiel darauf wenn uns jemand physisch zu nahe kommt, wir weichen aus, gehen auf Distanz bis wir unseren idealen Abstand erreicht haben. Es gibt da zwei fundamental unterschiedliche Möglichkeiten Nähe/Distanz zu regulieren, einmal auf der bekannten physischen Ebene, körperlich – wir gehen also weg, bringen mehr oder wenige Raum zwischen uns und andere. Dann gibt es aber noch die psychische Ebene – die ist viel subtiler kann im Lift jedoch gut demonstriert werden. Die Situation in einer Liftkabine ist für die meisten Menschen bezüglich Nähe/Distanz suboptimal, körperlich lässt sich aber nichts machen, die Kabine ist eben so groß wie sie ist – also kommt die psychische Ebene ins Spiel, die Leute versuchen den Blicken der anderen auszuweichen, Gespräche werden eingefroren und im Kopf gehen nicht wenige die Einkaufliste oder sonst was durch, nur um die nötige Distanz herzustellen, eben psychisch. So, jetzt kennen wir das System in eine Richtung aber es geht auch in die andere – wenn zu wenig Nähe bzw. zu viel Distanz da ist rücken wir automatisch zusammen, fällt in der Regel nicht auf aber im Internet macht es sich sehr wohl bemerkbar. In jeder Interaktion im Internet fehlt die Komponente der körperlichen Nähe zum Kontaktpartner, also neigen wir ganz automatisch dazu psychisch Nähe zu erzeugen, wir sagen Dinge, die wir normalerweise für uns behalten würden, es entsteht ein illusorisches Gefühl der Intimität. Verlieben ist dadurch noch leichter.

Was ist nun, wenn die Twitter-Schwärmerei nicht erwidert wird? War sich unser Twitter-Romeo doch so sicher, dass genügend Intimität da ist und jeder seiner Tweets nur so vor Genialität strotzt. Dummerweise unterstützt die Struktur aller virtueller sozialer Netzwerke das, was wir im richtigen Leben als Stalking beschreiben würden, tatsächlich lebt Twitter sogar in gewissem Sinne von dem kleinen Stalker der in jedem von uns wohnt. Man folgt Personen, ohne dass diese notwendigerweise davon wissen oder gar einverstanden wären. Schlimmer als unerwiderte Liebe ist nur unerwiderte Liebe ohne eine klare Zurückweisung. Nicht umsonst gehört das „Lass uns Freunde bleiben“ zu den gefürchtetsten Sätzen überhaupt, denn es stellt keinen klaren Schlussstrich dar, es lässt Möglichkeiten offen. Liege solche Verhältnisse nicht vor (und wie sollte das bei einer Follower-Struktur wie  Twitter auch möglich sein?) haben wir alle Zutaten für einen hübschen Schwelbrand unter der Oberfläche. Der Ausgang ist ungewiss.

Daher mein Rat an alle momentanen und zukünftigen Twitternauten: Wenn ihr jemandem folgt haltet eure Erwartungen im Zaum, sagt euch immer wieder, dass diese Person wahrscheinlich nicht mit euch essen gehen würde, selbst wenn er/sein wüsste, dass ihr existiert. Lernt die anderen Twitterer kennen. Schafft eine persönliche Basis die nicht auf künstlicher Intimität zur Nähe-Distanz-Regulation fußt. Wir sind ja alle nur Menschen. Und wenn es trotzdem nicht klar, tja, ich persönlich bin in ca. 10 Twitterinnen denen ich folge verliebt aber die werden das nie erfahren 😉

Heute hat mir jemand gesagt, dass „Für Immer“ eine Lüge sei, es ging um die Ewigkeit oder so. Na gut, dann reden wir halt über die Ewigkeit und Für Immer. Ich weiß ja nicht wies euch geht aber ich erlebe die Gegenwart als eine Kette von Augenblicken an der ich mich entlang hangle und immer wenn ich einen davon herausnehme um ihn genauer zu betrachten wird er zur Vergangenheit. Ein billiger Trick wäre jetzt einfach keinen rausnehmen –  aber das wollen wir ja nicht. Bin der GoShoo und kein Jahrmarktszauberer.

Ein sehr geschätzter Professor von mir hat mal dazu gesagt, dass wir alle die Möglichkeit hätten ewig zu leben, oder zumindest sehr sehr lange, wir könnten in der gewonnenen Zeit nur nicht allzu viel machen.  Wie hat er das gemeint? Zeit (nicht das physikalisch beobachtete Phänomen mit dem Zerfall als Grundlage sondern die wahrgenommene, erlebte Zeit)  ist eine höchst subjektive Angelegenheit (und damit meine ich jetzt nicht so nen pseudo-wissenschaftlichen Fuck-You-Einstein „Zeit ist relativ“ Scheiß – das hat er damit ohnehin nicht gemeint), will damit sagen, dass das, was wir als Fluss der Zeit erleben, in unserem Gehirn entsteht, es ist formbar, manchmal so stark, dass die Zeit uns sprichwörtlich durch die Finger zu rinnen scheint.  

Habt ihr schon mal auf eine analoge Uhr geschaut (hey, das ist eine legitime Frage)? Der Sekundenzeiger ist besonders interessant. Wenn man drauf blickt und auf den ersten Tick achtet, scheint der ewig auf sich warten zu lassen (funktioniert nur, wenn man den Rhythmus vorher nicht gehört hat, am besten spontan) – dann kommt er und dann der Zweite und so weiter. Der zweite Tick kommt wesnetlich shcneller als der Erste (man merke: Unser Gehirn bekommt eine Ahnung vom Rhythmus) und beim dritten ist man in der Regel in einem schönen regelmäßige Rhythmus drin, unser Gehirn kennt ihn und folgt ihm, alles sehr vorhersehbar. Offensichtlich hat unser Gehirn die Fähigkeit sich an Rhythmen der Umwelt anzupassen, ihnen zu folgen. In der Psychologie könnte man auch von einer Art „Schwingen“ sprechen.

Das ist, gelinde gesagt, blöd. Denn mit dem Takt beschleunigen wir auch. Kommen wir aber zum Ticken der Uhr zurück. Dieser Augenblick vom ersten Hinschauen bis zum ersten Ticken scheint ewig zu dauern. Klappt auch beim eigenen Herzschlag. Das muss natürlich immer spontan passieren, wer da mit voller Absicht rangeht wird es eher schwierig haben diesen Augenblick zu erwischen, meistens hat man dann den Takt schon irgendwie im Kopf und kann sein Gehirn nicht mehr dazu bringen aus dem Tritt zu kommen (ist gemein aber genau das wollen wir). Unser Hirn mag eben keine Klugscheißer die Wahrnehmungsexperimente aus dem Ärmel zaubern. Aber ich schweife ab – zurück zur Uhr. In dieser kleinen Ewigkeit bis zum ersten Ticken, was habt ihr da gemacht? Nur gewartet? Exakt. Subjektiv habt ihr zwar Zeit gewonnen aber effektiv nutzbar ist sie damit nicht geworden. Könnten wir also in der Ewigkeit aufgehen aber dann wie sprichwörtliche Idioten (wörtlich: auf sich selbst gezogen) nur um unseren eigenen Bauchnabel rotieren? Die Ewigkeit ist möglich aber nicht erstrebenswert?

Anderer Gedanke: Dieser Zustand, aber besser nutzbar, ist vielleicht auch erreichbar, wenn wir uns in stimulierende, neue und unerwartete Situationen begeben. Das Gehirn ist ein kleines Miststück, faul, immer bestrebt möglichst wenig Energie zu verschwenden auf das, was wir Spaß nennen, der nächste Tiger könnte gerade um die Ecke lauern. Wenn wir nicht aufpassen verfällt es sofort in einen bekannten Takt und weg ist die Zeit bevor wir „Tick“ sagen können, von „tack“ will ich gar nicht reden.  

Also geben wir dem Gehirn doch mal den Tiger, die unbekannte Gefahr, lassen wir es so richtig schön aus dem Takt geraten. In manchen Nächten bin ich dort gewesen, in neuer Gesellschaft. Das muss anstrengend sein, neu und vielleicht sogar gefährlich aber auf jeden Fall fordernd sonst denkt sich das Teil im Schädel nur: „Das kenne ich schon, der amüsiert sich, kann ich ruhig auf Fast Forward schalten!“ Und jetzt kommt der echte Hammer – genau das ist euch passiert wenn ihr von Momenten, Stunden, Nächten redet die wie im Flug vergangen sind, eure Gehirne haben auf Fast Forward geschaltet, war ja nicht gefährlich sondern blanke Trivialität für unsere steinzeitliche Software. Könnte auch ein Zeichen sein. Wenn die Zeit allzu schnell vergeht liegt es vielleicht daran, dass wir uns nur mit Ja-Sagen, den Ungefährlichen, den Weichgespülten umgeben, die nur das Zeigen was wir sehen wollen und nur das sagen was wir hören wollen. Jene mit denen wir sprichwörtlich auf „einer Wellenlänge“ sind.  

Also riskieren wir mal was, hören wir auf die negativen Stimmen, auf jede die uns herausfordern und schnappen wir uns einen Teil der Ewigkeit und vor allem geben wir unseren Gehirnen nicht mehr so oft die Möglichkeit mit einem alten Takt synchron zu schwingen – es wird mit der Herausforderung schon klar kommen, schließlich ist dieses Leben keine verdammte tickende Uhr.

Unheilig

Versteht mich nicht falsch, ich mag die Musik. Nicht jedes Lied, manchmal tragen sie etwas dick auf und deutsche Texte haben im Vergleich zum Englischen den Nachteil, dass sie sich ins Gehirn hineinfressen was es fast unmöglich macht die gesungenen Trivialitäten einfach so zu ignorieren.  Versuchen ist natürlich immer ne Option. Aber darum geht es nicht wirklich.

Die wirklichen Probleme habe ich mit dem Graf. Das ist der Sänger von denen. Ja, ich weiß, dass das wohl sein Familienname ist aber wer nennt sich bitteschön heute noch „Der Graf“?  Außer wenn da „von Montecristo“ dranhängt. Dann wäre es eine Anspielung auf die Weltliteratur und ein ganz anderes Level. Aber auch der Name könnte noch gehen, würde bei mir keinen Schreibfinger in Bewegung setzen. Wirklich unheimlich wird es erst, wenn man den Graf mal genauer betrachtet. Diese Glatze und der Bart. Wird da nicht was geweckt? Eine alte Kindheitserinnung? Ein längst vergessener genetischer Code? Gibt es so was überhaupt?

Eigentlich warte ich nur darauf, dass er sich den schwarzen Anzug vom Leib reißt und seine wahre Uniform der Welt präsentiert. Die besteht nämlich aus einem einteiligen Badeanzug wie man ihn in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts trug. Ihr wisst schon, so ein dünner Stoff, bis knapp unter die Brust (wo all die Haare wuchern die auf dem Kopf fehlen) und Trägern, natürlich weiß mit roten Streifen, wie so ein Muskelmann halt im Zirkus. Einer von denen, die Gewichte stemmen die mit absurden Zahlen wie „20t“ beschriftet sind. Ok, der Bart ist vielleicht nicht ganz stilecht, da würde ein gezwirbeltes Ungetüm besser passen aber man kann ja nicht alles haben. Solche Muskelmänner haben auch immer einen Keller in den sie die Kinder entführen die ohne Eltern zur Vorstellung kommen. Außerdem heißen sie grundsätzlich Fettucini oder Barbilliero mit Nachnamen. Vornamen haben die keine. Außer „Der Unglaubliche“ wie in „Der Unglaubliche Fettucini und seine Bälle aus Stahl“. Ihr versteht? Das gäbe dem Bandnamen gleich eine ganz neue Bedeutung. Irritierend ist, dass der Graf sprechen kann, ziemlich gestelzt aber doch. Der Unglaubliche Fettucini spricht nie, er grunzt, wenn er die Gewichte hochstemmt, er knurrt, wenn man ihm zu nahe kommt aber niemals, wirklich niemals artikuliert er sich in der menschlichen Sprache. Wäre es möglich, dass der Graf die neueste Evolutionsstufe des Zirkusmuskelmannes darstellt? Sehr unheimlich, wenn die erst Mal einer Sprache mächtig sind gibt es wohl nichts mehr was sie aufhalten kann. Stellt euch eine Welt vor in der die letzten Menschen sich mit Klauen und Zähnen in ihren verwüsteten Städte, umzingelt von Zirkuszelten, gegen tausende von Grafen verteidigen. I’ve seen the future brother, it is murder! („The Future“ by Leonard Cohen)

Kann es sein, dass Unheilig insgeheim ein Wanderzirkus sind der von Stadt zu Stadt reist und Kinder klaut damit die Twitter Accounts anlegen und sie retweeten damit sie in die Top Tweets kommen? So was wie die erste Welle vor dem großen Schlag? Terminator lässt grüßen.

Ich weiß es nicht, kann auch nix beweisen (aber spätestens seit Popper und dem kritischen Rationalismus wissen wir, dass nichts bewiesen werden kann, wir können nur immer wieder versuchen den Gegenbeweis anzutreten). Also, wie wäre es, wenn Unheilig mal in meine Stadt kommen, damit ich sie persönlich in Augenschein nehmen kann um die Zweifel meinerseits zu beseitigen? Ansonsten schreibe ich vielleicht eine Kurzgeschichte zu Fettucinis Wanderzirkus, wird mich kaum von meinem Roman ablenken.

Habe ich schon erwähnt, dass ich die Musik grundsätzlich mag?

Sie lagen Seite an Seite auf dem kalten Asphalt und blickten hinauf in den samtenen, sternenübersäten Himmel, der sich wie eine gigantische Halbkugel über die Hemisphäre der Erde spannte, vielleicht eine überdimensionierte Kugel wie sie Kinder zum Spielen verwenden: Mit einer Winterlandschaft darin und kleinen weißen Flocken, die wild herumstäubten, wenn man die Kugel fest  schüttelte. Aber wie sie so da lagen und nach oben blickten, kam ihnen das nicht in den Sinn. Obwohl der Himmel flach aussah, so als wären all die Lichtpunkte auf derselben Höhe und nicht unendliche Strecken voneinander entfernt, konnten sie doch erahnen wie gewaltig das Universum in seiner Gesamtheit war und wie gewaltig einfach alles da draußen war und wie winzig dagegen unsere Erde. Ein Universum, in dem nichts unmöglich war, ein Universum voller Möglichkeiten und voller Magie. Sie lächelte zum Funkeln eines Sternes, das ein unruhiges Flackern war. Wie wenig wusste man eigentlich über das Universum? Wie viele Fehler hatten die Männer und Frauen gemacht, die jene Sätze aufgestellt hatten, nach denen sich die Schöpfung zu bewegen hatte?

Es waren nur zwei Personen auf dem Dach, er und sie. Beide versuchten an nichts Anderes zu denken, als an die majestätische Erscheinung des Nachthimmels, wie er sich ihnen hier offenbarte, auf dem Dach eines dreißigstöckigen Gebäudes, den kalten Asphalt unter ihnen, den warmen Augustnachtwind um sie herum und das ferne Geräusch des Verkehrs von irgendwoher.

Schließlich rollte sie sich zur Seite und sah ihn an. Plötzlich wollte sie nicht mehr an die Unendlichkeit denken, sondern sich an das Hier und Jetzt festklammern. Sie versuchte jedes kleinste Detail seines Profils aufzufangen, wie er nach oben blickte, die Nase gen Himmel, die Augen nach oben gerichtet, in ihnen das Funkeln von Neugierde und einer einzigartigen Nacht. Sie blickte an seiner Haarlinie entlang, der Ohrenbart, der in einen dünnen Backenbart überging, bis zum spitzen Kinn, wo die Haare ein kleines bisschen länger waren. Jede Unebenheit seines Gesichtes registrierte sie. Sie fragte sich, welche Geschichte dieser Schnitt knapp unter seinem Kinn hatte und ob die Narben an der Backe noch von der Pubertät stammten. Würde sie diese Geschichten je zu hören bekommen? Er blickte unverwandt nach oben, ohne zu zwinkern. Sein Atmen war kaum zu sehen. Bemerkte er sie überhaupt?

Während sie ihn beobachtete, konnte er ihre Blicke beinahe physisch spüren. Es waren elektrisierende Blicke, so als würde er mit dem Gesicht über einen Draht mit extrem niedriger Spannung gleiten, nicht stark genug, um unangenehm zu sein, aber stark genug, um all die kleinen Härchen auf seiner Haut aufstehen zu lassen. Und er genoss den Blick, ebenso wie er die unendliche Weite des Panoramas dieser Nacht genoss, schweigend und ruhig. Sie ließ ihre Augen über seine Bikerjacke wandern, über die engen, blauen Hosen aus Jeansstoff, bis hinunter zu den spitz zulaufenden Stiefeln, die er sich einfach aus einer Laune heraus gekauft hatte, ohne tiefer darüber nachzudenken.

Sie rollte sich irgendwann herum, ließ ihren Rücken wieder auf den kalten Asphalt sinken und genoss den Moment, als die Kälte ihre Kleider durchdrang und auf ihre warme Haut stieß. Ein Schauer lief durch ihren ganzen Körper, hinauf bis zum Scheitel und hinunter zu den Zehenspitzen – sie blieb ganz ruhig liegen. „Du bist hübsch.“ Ihre Feststellung klang wie eine Frage, oder eine Mischung aus beidem, aber es kam keine Antwort. Er lag einfach da und sah nach oben zu den Sternen, die so unendlich weit entfernt waren. „Ich finde, du bist sehr hübsch.“ Diesmal klang es weniger nach einer Frage, denn eine gewisse Bestimmtheit lag in den Worten, die keinen Widerspruch duldete. „Warum sagst du das?“ Es lag keine Emotion in seiner Stimme, er schein von sehr weit weg zu ihr zu sprechen. „Ich weiß nicht. Ich finde einfach, dass du hübsch bist.“ Er drehte den Kopf etwas zur Seite, gerade genug, dass er sie aus dem Augenwinkel heraus beobachten konnte. Sie konnte das Weiß in seinen Augen erkennen, wie es im Dunkeln der Nacht funkelte. Es gefiel ihr nicht und sie sah wieder zum Himmel hinauf. „Du solltest so etwas nicht sagen,“ erwiderte er, „du solltest nie solche Dinge sagen. Weder heute noch an einem anderen Tag. Schau lieber nach oben, man könnte ein ganzes Leben damit verbringen, die Sterne zu beobachten, ohne je müde zu werden – ohne dabei von Liebe oder anderen Dingen zu sprechen.“ Sie schloss die Augen für einen Moment und versuchte sich die Sterne einfach nur vorstellen, das Bild aus ihrer Erinnerung abzurufen, aber es gelang ihr nicht, weil seine Worten übermächtig waren. Deshalb öffnete sie die Augen wieder. „Du hast dich verändert. Am Anfang warst du nicht so.“ Es kam keine Antwort zurück, statt dessen beobachteten sie beide wieder den Sternenhimmel, das Licht und die unterschiedlichen Helligkeitsgrade. In dieser Nacht stand kein Mond am Himmel, der die Sicht verdeckt hätte, was aber auch bedeutete, dass es eine  sehr dunkle Nacht war.

„Vielleicht,“ sinnierte er nachdenklich, „habe ich mich wirklich verändert. Oder du siehst  mich einfach anders als vorher. Es ist nie gut von Liebe zu sprechen. Man gibt damit unausgesprochen ein Versprechen, das man am Ende nicht halten kann.“ Überrascht sah sie zu ihm hinüber: „Was für ein Versprechen?“ Wieder bekam sie keine Antwort auf ihre Frage. Beide verstummten und sahen schweigend zum majestätischen Firmament hinauf.

„Wusstest du, dass das Licht dieser Sterne viele Millionen Jahre braucht, um hierher zu kommen? Wenn wir es sehen, existieren diese Sterne vielleicht schon gar nicht mehr.“ Sie nickte: „Ich weiß und es macht mir Angst. Es erinnert mich an uns, eigentlich an alle Menschen. Du existierst auch nicht mehr so, wie ich dich noch immer sehe. Es macht mir Angst.“ Beide schwiegen für einen Augenblick. „Es werden neue Sterne an ihrer Stelle entstehen. Es geht immer irgendwie weiter. Es ist faszinierend. Was glaubst du, wie viele dieser Sonnen Zentrum eines bewohnten Sonnensystems sind? Wie viele Planeten wie diesen hier gibt es, auf denen Wesen wie du und ich in einer warmen Nacht auf einem Gebäude liegen und nach oben blicken?“ Eigentlich hätten sie in dieser Nacht gar nicht auf diesem Dach sein dürfen – in keiner Nacht, das wussten sie. Der Zutritt hierher war strengstens verboten und wenn einer der siebenundzwanzig Wachmänner sie finden würde, dann gerieten sie in große Schwierigkeiten. Im Grunde aber kümmerte sie das nicht, beide wollten hier sein. „Es sind unendlich viele bewohnte Planeten da droben, weil das das Ziel ist. Es hätte einfach keinen Sinn, wenn es nicht so wäre.“ Sie war sich dieser Sache ganz sicher. „Und in ein paar tausend Jahren werden es ein paar bewohnte Planeten mehr sein und irgendwann werden die Menschen sie alle entdecken, benennen und man wird sehen wie alles weitergeht.“ Er setzte sich auf und schlang seine Arme um das eine Knie: „Aber irgendwann werden es keine mehr sein, irgendwann wird da kein einziger bewohnter Planet mehr sein.“ Vorsichtig, als hätte sie Angst, dass er sie wieder wegstoßen würde, legte sie ihren Arm um seine Schulter. In diesem Moment klang ihre Stimme so, als müsste sie jeden Augenblick zu weinen beginnen: „Hast du Angst?“ Für einen Sekundenbruchteil, gerade einen Lidschlag lang, sahen sie sich in die Augen und jeder sah in denen des anderen ein leichtes, beruhigendes Glänzen. Als er das Funkeln in ihren Augen wahrgenommen hatte, fiel ihm die Antwort leichter: „Ja, ich habe Angst. Manchmal habe ich eine solche Angst, dass ich keine Luft mehr bekomme und fürchte zu ersticken.“ Er löste sich aus ihrer Umarmung und stand auf. Sie folgte ihm mit ihren Blicken, versuchte ihn aber nicht aufzuhalten, als er unruhig und hastig auf dem Dach im Kreis ging. Seine Stimme klang gehetzt: „Es vergeht alles nur so unglaublich schnell und alles, was am Ende immer übrigbleibt, sind du und ich. Wird es immer so weitergehen? Wird alles irgendwann zusammenfallen und alles, was dann noch auf dem Trümmerhaufen stehen wird, sind du und ich? Macht dir das denn keine Angst? Wir sind doch im Grunde immer alleine, sitzen hier oben auf Dächern, egal ob Hochhäuser oder Lehmhütten. Wir sitzen immer hier oben und blicken zu den Sternen, fragen uns, wie viel Leben es dort draußen gibt und denken über die Entfernungen nach, als würde dort die Antwort stehen, als würden sich die Sterne gruppieren und eine Botschaft an uns schicken.“ Ein Lächeln verzauberte ihr Gesicht und jetzt war er es, der innehielt, sie anblickte und sagte: „Du bist auch sehr hübsch, wirklich sehr hübsch.“ Sie nahm das Kompliment mit einem noch breiter werdenden Lächeln entgegen. „Die Antwort ist vielleicht wirklich dort oben, irgendwo zwischen den Sternen und wir müssen nichts anderes tun, als nur lange genug nach oben zu blicken. Am Ende werden wir schon noch erfahren, wofür das alles gut sein soll. Und wenn es doch nicht so sein sollte, so können wir am Ende wenigstens sagen, dass wir unser Leben damit verbracht haben, nach oben zu blicken und die samtene Erhabenheit des Universums zu studieren. Das ist auf jeden Fall besser, als wenn wir immer nur damit beschäftigt gewesen wären, anderen Menschen weh zu tun oder irgendetwas Großes zu bewegen, das vielleicht am Ende doch fehlgeschlagen wäre.“ Er spazierte zum Rand des Daches und setzte sich auf die kleine Mauer, die das Dach vom Abgrund trennte. „Was ist so schlimm daran, ab und zu etwas Großes zu tun? Es ist manchmal, als hätte ich Teer an den Füßen, als würde ich rufen, dass mich das Leben endlich reinlassen soll aber keine Antwort kommt.“ Sie nickte: „Ja, das soll es geben. Aber was ist schon groß? Wir sind hier und beobachten, man kann nicht die ganze Ewigkeit lang aktiv sein. Irgendwann kommt der Punkt, an dem man sich niederlässt und den anderen die ganzen Dinge überlässt. Daran wirst auch du dich gewöhnen müssen.“ Mit einem schnippischen Fingerzeig deutete er auf sie: „Sie dich doch mal an. Du bist jung, schön und jeder, der dich sieht würde sagen, dass du nicht älter als siebzehn bist. Das ist noch zu jung, um den anderen die ganze Verantwortung zu überlassen – wir sind noch nicht so alt.“ Er sah hinunter auf den Verkehr. „Lieben wir uns eigentlich?“ Es kam keine Antwort. Nun stand auch sie auf und ging zu der kleinen Mauer, auf der er saß. Mit einer anmutigen Bewegung schwang sie sich zu ihm hinauf, legte ihm den Zeigerfinger unter sein Kinn und zwang ihn, sie anzusehen: „Lieben wir uns eigentlich“, wiederholte sie ihre Frage. Wieder trafen sich ihre Blicke. Seine Antwort kam kalt und direkt: „Nein, wir lieben uns nicht. Vielleicht haben wir das einmal getan, aber das muss schon eine sehr lange Zeit her sein. Alles stirbt irgendwann einmal ab, wenn man sich nicht darum kümmert. Erinnerst du dich noch an den Wald? Den Wald, in dem wir zum ersten Mal richtig miteinander gesprochen haben?“ Ihre Augen begannen zu leuchten, denn sie erinnerte sich sehr genau an den Wald. Er nickte zufrieden: „An diesen Wald erinnern wir uns beide noch ziemlich gut. Es war vor einer Ewigkeit und trotzdem ist es für uns so, als wäre es erst gestern gewesen. An diesem Tag war so etwas wie eine Liebe zwischen uns, zumindest von meiner Seite her, aber irgendwie ist es nichts geworden. Es gibt für alles einen richtigen Zeitpunkt und den haben wir wohl verpasst. Außerdem hast du mich damals im Wald angelogen.“ Mit einem überraschten Aufschrei hielt er sich an der Kante fest, als sie ihn mit einem festen Schlag auf die Schulter beinahe in die Tiefe stieß. Irgendwo am Horizont ging eine Sternschnuppe nieder, ein heller Schweif mit einem etwas dickeren Kopf – tausende von Menschen sahen es, Menschen in ihren Häusern, einsame Herzen auf einsamen Strandpromenaden, verliebte Pärchen auf einsamen Waldbänken und Sterbende aus ihren Betten. Unzählige Wüsche erhoben sich gen Himmel, wo sie für den Bruchteil einer Sekunde hell aufloderten, in allen Farben des Spektrums, um dann wieder zu vergehen. Es war so kurz gewesen, dass niemand es bemerkte, was aber nicht hieß, dass es nicht passiert war. Doch er sah nichts von alledem, er sah nur den lodernden Hass in ihren Augen, die wütend zuckenden Mundwinkel und die gefährlich geschwungenen Augenbrauen. Beide waren von der Mauer herunter aufs Dach gestiegen. Sie kam einen Schritt auf ihn zu und er trat einen Schritt zurück. „Ich habe dich nie belogen,“ fauchte sie ihn an, „schon gar nicht an einem solchen Tag.“ Er versuchte ebenso bestimmt zu klingen wie sie: „Doch, das hast du. An jenem Tag habe ich dir gesagt, was ich für dich empfinde. Du hast mir damals gesagt, dass es nicht der richtige Zeitpunkt sei, dass du aber eines Tages, sicher in wenigen Monaten, zu mir kommen würdest und dasselbe zu mir sagen würdest, was ich zu dir gesagt habe. Aber du bist nie gekommen, hast nie das gesagt, was ich an diesem Tag im Wald zu dir gesagt habe. Ich habe lange darauf gewartet, bis ich endlich erkannt hatte, dass du gelogen hast.“ Sie gab keine Antwort. Ihre Schultern sanken resignierend herab und eine kleine Träne glitzerte in ihrem Augenwinkel. Wortlos legte sie sich wieder auf den Boden. Der glühende Zorn war in einem einzigen Augenblick verraucht, ihre Augen waren wieder sie selbst und leer zum Himmel gerichtet. Dumpfes Schweigen legte sich wie eine schwere Decke über die beiden, denn er wusste, dass es jetzt keinen Sinn mehr hatte, weiter nachzuhaken. Sie hatte gesagt, was zu sagen gewesen war und er auch – denn die Wahrheit ist meist ein dreischneidiges Schwert; eine Seite, die andere Seite und schließlich die Wahrheit. Sie würden dasselbe Gespräch wiederführen, an einem anderen Ort vielleicht, möglicherweise an einem, in dessen Nähe sich ein Leuchtturm befände, wenn der salzige Wind um ihre Körper peitschen würde, oder in einer Wüste direkt neben irgendeiner Oase. Sie hatten sehr viel Zeit und es würden noch viele Orte kommen. „Eines Tages werden wir wieder miteinander reden können, oder?“ Es überraschte ihn, dass sie so schnell wieder mit ihm sprach, aber er zuckte nur mit den Schultern und antwortete gelassen: „Das ist schon möglich. Niemand kann sagen, was in ein paar Tagen, Wochen oder gar Jahren geschehen kann. Aber für den Moment wissen wir beide, dass wir dieses Thema weglassen sollten. Es gibt einfach einen bestimmten Punkt und wenn zwei Menschen den überschritten haben, können sie nicht mehr zurück, selbst wenn sie es so sehr wollen wie du und ich.“ Hilflos biss er sich auf die Zunge – er hatte etwas ganz Anderes sagen wollen, etwas nettes, aufmunterndes, aber er konnte es nicht. Welche Macht zwang ihn nur dazu, so zu sein wie er war? Der Himmel flackerte ein wenig. „Vermisst du unsere Zeit manchmal, ein ganz kleines bisschen?“ Der Himmel begann etwas stärker zu flackern. „Jeden Tag vermisse ich unsere Zeit und manchmal glaube ich, dass wir einfach nur ein oder zwei dumme Sachen gesagt haben. Nichts, was man nicht wieder hinkriegen könnten.“ Der Himmel begann immer stärker zu flackern, sie deutete nach oben: „Am meisten fehlen mir unsere Gespräche. Wir konnten so gut miteinander reden, eigentlich immer aber das geht jetzt nicht mehr, denn das Gesagte steht zwischen uns – wie ein magischer Keil.“ Er nickte: „Vielleicht sollten wir das Thema einfach fallen lassen und abwarten, was sonst noch passiert.“ Beide begannen wieder zu grübeln und es wurde still auf dem Dach des Gebäudes.

Ein leises Knistern ließ beide auffahren. Es war nur ein sehr leises Rascheln gewesen und in jeder anderen Nacht hätten sie es vielleicht gar nicht gehört. Aber diese Nacht war anders; sie war ruhiger und die Luft schien jedes Geräusch zu verstärken und weiter zu tragen als sonst. Unwillkürlich fassten sie sich an den Händen und sahen zu der Metalltür, die vom Dach ins Treppenhaus führte. Sie stand weit offen, ein schwarzer Fleck in einer schwarzen Nacht. Vorsichtig und lauernd erhob er sich. Stand da nicht ein Schatten zwischen ihnen und der Türe? Ein großer Schatten, um dessen massiven Körper etwas wehte? „Carpe Noctem“, dröhnte ihnen eine Grabesstimme entgegen. Sie erzitterte unter der Stimme, als würde jemand mit einem riesigen Metallhammer direkt auf ihr Nervensystem einschlagen; jede Silbe war ein weiterer Hammerschlag. Sie riss sich von ihm los, hielt sich die Hände vors Gesicht und ging ein Schritt zurück. Von irgendwoher gingen die Hammerschläge weiter, aber sie konnte keine Worte mehr erkennen. Sie taumelte einen weiteren Schritt zurück. Kühle Nachtluft strich über ihren Rücken und eine drängende Stimme zischte in ihrem Kopf: „Es ist vorbei, noch ein Schritt und es ist vorbei.“ Die Stimme war zu mächtig, all ihre Kraft kam gegen das Dröhnen nicht an. Hilflos taumelte sie noch einen Schritt zurück, bis ihre Ferse gegen die Brüstung stieß und ihr Oberkörper nach hinten kippte.

Sie öffnete die Augen und sah die Welt in einem irren Tanz vor ihr taumeln, eine Welt, in der es kein oben und kein Unten mehr gab. Alles begann sich zu farbigen Linien, Spiralen und Kreisen zu vermischen. Ihr war klar, dass sie über die Brüstung des Gebäudes gestolpert war und jetzt in die Tiefe stürzte – ihrem unausweichlichen Tod entgegen. Warum hatte sie keine Angst? Warum lief ihr Leben nicht vor ihr noch einmal ab? Sie hatte keine Antworten auf diese Fragen.

Dann kam der Moment; etwas traf ihren Rücken, wie die Faust eines Riesen  aber es tat nicht weh, nicht im Geringsten. Sie lächelte den Sternen entgegen, die jetzt besonders schön aussahen. Nie zuvor hatte sie die Schleier der galaktischen Nebel sehen können, doch jetzt waren sie überall in allen Farben zu finden. Sie zogen über den Himmel, umgaben die Sternbilder – rot, blau, grün – gigantische Gasgebilde, aus dem Material, aus dem einst das ganze Universum bestanden hatte.

Eine angenehme Art von Müdigkeit senkte sich wie flüssiges Blei auf ihre Glieder. Es zog sie langsam nach unten, einer tieferen Art des Schlafes entgegen und so wie sie sich auch des Fallens bewusst gewesen war, glasklar, so war sie sich nun der Tatsache bewusst, dass sie jetzt sterben würde. Sie hatte immer geglaubt, dass der Tod etwas Schreckliches war, eine Sache, vor der man panische Angst haben musste, besonders dann, wenn es wirklich geschah. Aber im Grunde hatte sie keine Angst, sie war nur müde. Aus den Gasnebeln am Himmel bildete sich ein Gesicht, das Gesicht einer jungen, hübschen Frau, die verwirrt und ängstlich zu ihr heruntersah, sie formte mit den Lippen ihren Namen: Lexia, aber es war kein Laut zu hören. Lexia kannte die junge Frau gut, sie hieß Miranda. Aber wieso war sie hier?

Lexias Gesichtsfeld verengte sich. Ihre Kraftreservenwaren beinahe erschöpft.

„Ich hoffe nur, dass ich träumen werde“, waren ihre letzten Worte.

A Fleeting Encounter

A fleeting encounter

 

There’s no time in my shell

Only movement and space

For time is all white

And comes in yellow jars

Wrapped in bleached blister

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Nothing comes near my core

What makes it laugh is even

Light and sound is intrusion

All withering age

Fun comes only packet as pills

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She is just a brief encounter

Brings time and running space

Through the veins of frozen titans

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A crooked witch

A twisted picture

Like starvation

A thousand years

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Time is running at the heels

Come with what you’ve missed

The sons of 24 summers

All the thirst of 22 deserts

All the blood of 23 wrists

Comes rolling in like tidal oceans

Merciful and cruel tome  

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And all the pills in this world

Won’t save you from yourself

Feiertag

Feiertag, alles ist dunkel. Bin müde obwohl ich 8 Stunden geschlafen hab, bin hungrig, obwohl Mittagessen gerade war. Den Hunger kann man aber nicht mit Essen stillen. Einsamkeit, weil die falschen Menschen um mich herum sind aber die richtigen hab‘ ich nie kennengelernt. Ich verzehre mich nach Menschen die mich verstehen, die mir zuhören, nicht nur Selbstgespräche in meinem Zimmer, auf der Straße. Weihnachten war laut und auch wenn ich vorgebe es zu hassen kuschle ich mich doch darunter wie unter eine warme Decke die mich vor der Welt beschützt, wie ein Baby in der Wiege denn die Wahrheit ist, dass ich die anderen brauche, jene die ich wegstoße, dass ich nicht allein sein will auch wenn ich Dir vielleicht das Gegenteils ins Gesicht sage. Du gehst weg und ich rufe. Aber ich habe meine Stimme verloren, mein Gesicht. Ich kenne die Codes nicht mehr mit denen die Menschen sich annähern. Wenn ich sie beobachte ist es als würden sie in fremden Sprachen mit Katzen reden. So ist es sicher nicht mehr möglich Neues zu erleben, kennenzulernen und kennegelernt zu werden. Habe so viele Jahre damit verbracht mich zu suchen, meinen Verstand zu finden, das ich mich selbst in der dunklen Ecke meines eigenen Verstandes glatt übersehen habe. Da sitze ich nun, eine staubige Puppe. Die Gelenke wollen nicht mehr und die Haare sind zerzaust. In dem Zustand traue ich mich nicht mehr aus der Dunkelheit hinaus denn sie würden ohnehin nur lachen. Vor dem Schreiben habe ich Angst, denn er bringt Erinnerungen zurück an eine Welt die nicht mehr existiert, eine Zeit in der ich mir geschworen habe niemals in der Vergangenheit zu leben. Du hast zu mir aufgeschaut. Ich hatte Potential. Bruce Springstteen hat mal im Lied „The River“, auf der gleichnamigen Platte, gesungen: „Is a dream a lie if it don’t come true or is it something worse.“ Ich verstehe diesen Satz als Frage und meine Antwort lautet: It’s much much worse. Das Schicksal hat einen verdammt düsteren Humor was das anbelangt. Muss aufhören über solche Dinge nachzudenken, sie bereiten nur Kopfschmerzen. Alexis muss leben, mein Roman muss leben, das tun was ich nicht kann.

Weihnachten

Da ist es also wieder, das alljährliche Fest. Fast so gefürchtet wie Geburtstage aber in der Regel nicht so global und enthusiastisch gefeiert (zumindest nicht vom Rest der Welt, außer der Name is JC).

Sitze am Computer und warte darauf, dass der Rest der Familie eintrudelt (Nichte mit Freund wird auch da sein, na super) und es aus mit der Ruhe ist. Mutter kocht schon, Vater macht was anderes, räumt wahrscheinlich im Haus rum. Bin ich faul oder was? Naja, auch egal, bin viel zu sehr damit beschäftigt klug zu sein.

Weihnachten ist aus vielen Gründen problematisch. Zuerst mal ist es eine völlig überholte Tradition die sich wahrscheinlich aus der Steinzeit herauf gehalten hat. Spätestens wenn man Joseph Campbell und seine Standardwerke zu den Mythen der Mesnchheit gelesen hat wird die Gesichte vom menschgewordenen, getötetenv und auferstandenen Gott einen nicht mehr vom Hocker hauen. Was übrig bleibt sind sinnentleerte Kulthandlungen, religionstypische Engstirnigkeit und das Gefühl im Namen des Herrn unterwegs zu sein – alles Dinge vor denen man sich hüten sollte. Auf einer viel persönlicheren Ebene ist Weihnachten ein Problem, weil es die eigene Sterblichkeit mal wieder in den Mittelpunkt rückt. Ist meiner Meinung nach der Grund warum nur kleine Kinder wirklich Spaß an Weihnachten haben weil denen jeder Begriff von Sterblichkeit fehlt, die leben einfach. Kommt aber ganz bestimmt für jeden! Natürlich gibt es noch andere Gründe aber ich will hier mal nicht so tun als wäre ich wirklich total geschockt über den Konsumrausch während überall auf der Welt Menschen verhundern – bitte immer schön dran denken – die verhungern auch, damit wir unsere Computer und Handies so billig bekommen wie wir es mometan tun! 2000 Gratis SMS im Monat wären sonst nicht drin liebe Freunde.

In diesem Sinne: FROHES FEST

So ziehe ich über die Welt und betrachte die, die es nicht wert sind gesehen zu werden. Ich spreche zu denen, die es nicht wert sind angesprochen zu werden und ich nehme die mit mir, die es nicht wert sind mitgenommen zu werden. So fürchtet euch vor mir, denn ich bin der, der die Dunkelheit mit sich führt, ich bin der, der das letzte Buch am letzten Tag schließen wird. Ich bin der dunkle Mann, der, der mit seinen Beutel durch die Strassen zieht und die Seelen sammelt. Ich bin der, der tausend und eine Geschichte kennt – der, der alle Geschichten kennt und jede Geschichte mit einem Ende versieht, das niemand erahnen kann. Jedes Wort, das jemals auf einem Markt gesagt wurde, hallt in meinen Ohren wieder und so bin ich nun gekommen, um die Wahrheit darüber niederzulegen, was die Stunde der Macht ist. Denn die Zahl der Macht ist sieben und die Stunde der Macht soll auf alle Zeit die siebte Stunde sein. Bald werde auch ich eine Geschichte sein, so wie tausend und eine andere, die in mir leben, denn die Dinge werden sich verflüchtigen und blasser werden. Meine Weisheit lege ich in diesen Stein und wenn ich wiederkommen, so soll auch dieser Stein es sein, der mich begrüßt wie das Abendrot, dessen Bote ich bin. Wer weiß auf dieser Welt – oder auf jeder anderen Welt – an welchem Ort sich die Zitadelle der Siebten Stunde befindet? Wen soll ich nach dem Weg fragen? Ich kenne den Weg und deshalb will ich euch sagen, wo sich die Zitadelle befindet: An jenem geheimnisvollen Ort, an dem alles zusammenläuft, an dem Ort, an dem sich alle Möglichkeiten treffen und von dem es keinen Ausweg mehr gibt, weil er das Ende aller Wege darstellt, dort sollt ihr die Zitadelle suchen denn nur dort kann sie sein. Wo sonst als am Ende aller Strassen soll sich das Ende aller Wirklichkeiten befinden? Wenn es einen besseren Ort gäbe, so wäre sie dort. Niemand weiß wozu und wann die Zitadelle gebaut wurde – niemand weiß, wer wohl die Kraft hätte, ein ganzes Kloster aus einem Bereg zu schlagen, bis nur mehr das Kloster und sonst nicht sehr steht – alles aus einem einzigen Stein. Vielleicht war es die Macht selbst, die hinter der siebten Stunde steht. Auch weiß niemand wer die sind, die sich selbst als die „Mönche“ bezeichnen. Hütet euch vor den Mönchen, sie sind dunkle Wesen, die selbst mir des Nachts den Angstschweiß über den Rücken jagen. Vielleicht sind diese Mönche so alt wie das Universum selbst – was ihre Bösartigkeit betrifft, so kann sich kein Wesen mit ihnen messen. Sie bewachen die Zitadelle und sie leben in der Zitadelle, wenn sie denn überhaupt leben. Kein Geist der lebt kann die Absichten der Mönche fassen – manche sagen sie seien das pure Chaos, das am Anfang der Zeit geronnen ist zu festen Körpern, andere sagen sie würden ein dunkles Geheimnis hüten, das niemand zu Gesicht bekommen dürfe. Nur wenige Male zuvor sind die Mönche in der Welt der Lebenden erschienen und viele Tore sind vor ihnen schon verschlossen worden denn jene die sich weit genug entwickelt haben müssen Wege finden die Mönche am Eindringen in ihre Welt zu hindern –sonst kommen sie. Feurige, verbrannte Spuren ziehen sie hinter sich her, wenn sie über den Boden schreiten, ihre Berührung ist der Tod. Wurden die Mönche vielleicht vor langer Zeit geschaffen? Möglich wäre es, ich habe schon seltsamere und magischere Dinge gesehen auf meinen Reisen. Sind sie eine verlorene Waffe? Die Propheten des Aaron sagen, dass die Mönche der Fluch des Lebens seien – doch sie sagen auch, dass eines Tages einer kommen werde, der anders sein wird als alles, was bisher gelebt hat. Dieser eine wird eine Macht in sich vereinen, die sich mit der Macht der Mönche messen kann. Doch seine Macht wird die Macht des Guten sein, eine wilde, ungezähmte Macht, ebenso chaotisch wie gut. Die Kraft der Mönche ist dunkle und zerstörerisch, sie sind die Meister des Todes und sie selbst haben sich dem Tod durch ihre Künste verschlossen. Wanderer – kennst Du die Propheten des Aaron? Sie leben an einem einsamen Ort, ihren eigenen Künsten zugewandt doch immer dann mit ihrer Stimme zugegen, wenn das Chaos irgendwo sein Haupt erhebt. Schon vielen verzweifelten Wesen haben sie mit Rat und Tat zur Seite gestanden, doch ihre größte Prophezeiung, der Mittelpunkt ihrer mystischen Lehre, ist der Glaube an die Wiederkehr ihres Propheten Aaron. Man sagt, dass Aaron den Orden der Propheten vor vielen Zeitaltern gegründet hat. Er selbst sagte seine Wiederkunft niemals voraus aber die späteren Propheten taten es. In uralten Büchern steht geschrieben, dass einer kommen wird, der die siebte Stunde endgültig eindämmen wird, ein Held, ein Gott. Erst dann wird Aaron wiederkehren und seinen Propheten die letzten Geheimnisse des Universums offenbaren. Seit unendlichen Zeitaltern nun durchkämen die Propheten mit ihren Gedanken jeden Winkel der Wirklichkeit um den Helden zu suchen und ihm zur Seite zu stehen, denn wenn dieser Held scheitert – dann wird Aaron niemals wiederkehren und vielleicht wird die Stunde der Macht die einzige sein, die noch auf den Uhren dieser Zukunft zu sehen sein wird.